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Untreue und Amtsträgerbestechung bei Einladungen und Freikarten-Regelungen

Öffentliche Hand
Untreue und Amtsträgerbestechung bei Einladungen und Freikarten-Regelungen

Nicht erst seit der UEFA EURO 2024 im eigenen Land ist die öffentliche Hand dafür sensibilisiert, dass die Überlassung von Freikarten für Veranstaltungen an Amtsträger unter Compliance-Gesichtspunkten problematisch sein kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt sich in einem Urteil vom 31. August 2023 mit Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit einem Rolling Stones-Konzert im Hamburger Stadtpark. In den Entscheidungsgründen, die erst über ein Jahr später veröffentlicht wurden, gibt der BGH wertvolle Hinweise beispielsweise zur strafrechtlichen Bewertung der Überlassung von Freikarten an Behördenmitarbeiter und zu Besonderheiten im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vertragsbeziehungen.

Der Sachverhalt

Im Jahr 2017 fand in Hamburg ein Konzert der Rolling Stones statt. Der zuständige Bezirksamtsleiter forderte bei den Vertragsverhandlungen über die Nutzung des Stadtparks in Hamburg neben der Zahlung eines Nutzungsentgelts Freikarten und die Möglichkeit zum Erwerb von Konzerttickets außerhalb des regulären Verkaufs. Das Nutzungsentgelt wurde in angemessener Höhe in einem öffentlich-rechtlichen Nutzungsvertrag vereinbart. Die Freikarten und Kaufoptionen hatten einen Wert in Höhe von ca. EUR 15.000,00, wurden in diesem Vertrag nicht erwähnt und in der Folge intern an Mitarbeiter des Bezirksamts verteilt.

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg

In erster Instanz verurteilte das Landgericht Hamburg den Bezirksamtsleiter wegen Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) zu einer Geldstrafe. Zudem ordnete es die Einziehung des Wertes der Freikarten an. Eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) verneinte es jedoch mit der Begründung, das Nutzungsentgelt sei angemessen gewesen und durch die Zuwendung der Vorteile nicht sachwidrig beeinflusst worden.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hob die Entscheidung des Landgerichts Hamburg mit Urteil vom 31. August 2023 wegen Mängeln bei der Sachverhaltsdarstellung und der rechtlichen Würdigung auf. Über die Rechtssache wird nun von einer anderen Strafkammer des Landgerichts Hamburg neu verhandelt und entschieden. Das Urteil des BGH enthält jedoch eine Vielzahl von praxisrelevanten Hinweisen.

Der BGH bemängelte, dass das Landgericht Hamburg nicht hinreichend geprüft habe, ob die Freikarten und Kaufoptionen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Dienstausübung standen, d.h. ob die Zuwendungen darauf abzielten, eine zukünftige Dienstausübung zu beeinflussen bzw. eine vergangene Dienstausübung zu honorieren. Nur dann liegt die für eine Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung erforderliche sog. Unrechtsvereinbarung vor. 

Dabei betonte der BGH die Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeit des Vertragsschlusses: Es sei denkbar, dass der Bezirksamtsleiter die Freikarten und Kaufoptionen nicht für sich selbst, sondern für die Stadt Hamburg verlangt habe. Die Tickets könnten eine zulässige Gegenleistung des Konzertveranstalters für die Nutzung des Hamburger Stadtparks gewesen sein. 

Hierfür sei jedoch erforderlich, dass die Ticketabrede verwaltungsrechtlich zulässig gewesen sei. Dies setzt insbesondere voraus, dass das sog. Kopplungsverbot (§ 59 Abs. 2 Nr. 4 (L)VwVfG) berücksichtigt wird: Die Gegenleistung muss in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag folglich für einen bestimmten Zweck vereinbart werden und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen, darf nicht unangemessen sein und muss im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen (§ 56 Abs. 1 (L)VwVfG). Zudem muss die Schriftform (§ 57 (L)VwVfG) eingehalten werden. Im Fall des Rolling Stones-Konzerts enthielt der Nutzungsvertrag für den Stadtpark zwar diverse Auflagen, aber keine Regelungen zu Freikarten bzw. Kaufoptionen für Tickets.

Hätten die Freikarten und Kaufoptionen der Stadt Hamburg zugestanden, so hätte der Bezirksamtsleiter sie nach Ansicht des BGH dennoch nicht eigenmächtig – die Verwendung und Verteilung unterlag „ganz allein seiner Disposition“ – verteilen dürfen. Hier hätte das Landgericht Hamburg genauer prüfen müssen, ob eine Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB) in Betracht kommt. Ebenso sei der Vorwurf der Bestechlichkeit eingehender zu prüfen, da nicht nur die Höhe des Nutzungsentgelts für den Stadtpark relevant sei, sondern auch die Möglichkeit, dass sich der Konzertveranstalter für das Wohlwollen der Stadtverwaltung für die Vertragsabwicklung „erkaufen“ wollte.

Praxistipp

Die Verteilung von Freikarten für Veranstaltungen ist nicht per se unzulässig, jedoch im Einzelfall einer genauen Prüfung zu unterziehen. Wird ein bestimmtes Ticketkontingent im Rahmen eines Nutzungsvertrags für Veranstaltungsstätten vereinbart, hat die Behördenleitung darauf hinzuwirken, dass die verwaltungsrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Damit kann vermieden werden, dass die Zuwendungen als strafrechtlich relevante Gegenleistung für die eigene Dienstausübung verstanden werden können. Auch ein anschließendes behördeninternes Verteilungsverfahren solcher Ticketkontingente sollte im Vorfeld umfassend abgestimmt und dokumentiert werden.

Maßgebliche Entscheidung: BGH, Urt. v. 31.08.2023, Az. 5 StR 447/22

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