Kontakt

Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Anruf unter
+49 711 86040 00
Fax unter
+49 711 86040 01

EuGH zur beihilfenrechtskonformen Ausgestaltung von Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand

Öffentliche Hand
EuGH zur beihilfenrechtskonformen Ausgestaltung von Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand

Der Europäische Gerichtshof hat seine Position zur Rückforderung staatlicher Beihilfen im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand dargestellt und geschärft (Az. C 325/22 vom 19. Oktober 2023).

Warnschuss für die öffentliche Hand: unzulässige Beihilfe bei Grundstücksveräußerung

Nach dem Urteil des EuGH darf der Wert veräußerter Grundstücke nicht freihändig kalkuliert werden, wenn eine unzulässige Beihilfe vermieden werden soll. Bei dem Rechtsstreit ging es um die Rückübertragung von 1947 verstaatlichten Forstflächen in Bulgarien an ihre früheren Eigentümer. Im Jahr 2008 tauschte die Nationale Forstbehörde Bulgariens mit einer Privatperson Forstflächen aus. Die Privatperson übertrug diese Grundstücke später an eine private Gesellschaft, die darauf einen Hotelbau plante. Aufgrund einer Gesetzesänderung konnte dieses Vorhaben jedoch nicht abgeschlossen werden. Die EU-Kommission entschied am 5. September 2014, dass die Tauschgeschäfte staatliche Beihilfen darstellen, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind. Die bulgarischen Behörden forderten 2020 von der Privatperson und der Gesellschaft die Rückzahlung der Beihilfe. Diese erhoben Klage und argumentierten, dass sie nicht als Unternehmen betrachtet werden sollten und die Berechnung der zurückzuzahlenden Beihilfe fehlerhaft sei.

Das Verwaltungsgericht Varna legte dem EuGH daraufhin gemäß Art. 267 AEUV unter anderem die Frage vor, ob der Grundstückstausch nur dann in den Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechts fällt, wenn das Grundstück später wirtschaftlich genutzt wird.

Anwendbarkeit des Beihilfenverbots unabhängig von nachträglicher wirtschaftlicher Nutzbarkeit von Grundstücken

Der EuGH ging zunächst auf die Definition des Unternehmensbegriffs nach ständiger Rechtsprechung ein. Danach ist ein Unternehmen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“. Eine wirtschaftliche Tätigkeit besteht darin, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die Einstufung als „Unternehmen“ gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV nicht davon abhängt, ob die wirtschaftliche Tätigkeit einen Bezug zu Gütern hat, deren Erwerb eine staatliche Beihilfe darstellt.

Im konkreten Fall hängt die Einstufung als Unternehmen im Sinne von Art. 107 AEUV und die Frage, ob das Beihilfenverbot anwendbar ist, somit nicht davon ab, ob das Grundstück im Nachhinein auch wirtschaftlich genutzt wird.

Außerdem führte der EuGH zum nachträglichen gesetzlichen Verbot und der daraus folgenden eingeschränkten wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks aus, dass Beihilfen gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV einer vorherigen, sogenannten ex-ante Prüfung unterliegen. Dies soll sicherstellen, dass nur Beihilfen gewährt werden, die mit dem Binnenmarkt vereinbar sind. Daraus folgt, dass ein System zur vorherigen Genehmigung staatlicher Beihilfen, das auf einer ex-ante-Beurteilung der Beihilfevorhaben basiert, im Widerspruch dazu steht, dass die Einstufung als „Unternehmen“ gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV anhand zufälliger Umstände erfolgt, die nach Gewährung des Vorteils eintreten. Im vorgestellten Fall führte die nachträgliche Einschränkung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit also nicht zur Unanwendbarkeit des Beihilfenverbots.

Es ist unklar, ob der EuGH damit von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht, die bei einer ursprünglich geplanten und später tatsächlich durchgeführten nichtwirtschaftlichen Nutzung von staatlich finanzierten Infrastrukturen die Unternehmenseigenschaft ablehnt (EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, Rn. 49 – Flughafen Leipzig-Halle).

Alternativ könnte das Urteil so interpretiert werden, dass die Unternehmenseigenschaft nur dann bejaht wird, wenn – wie im vorliegenden Fall – die wirtschaftliche Nutzung erst nachträglich unmöglich geworden ist.

Zwar stellt der EuGH dar, dass die wirtschaftliche Tätigkeit keinen Bezug zu den Gütern haben muss, welche die Beihilfe darstellen. Die folgende systematische und ausführliche Bezugnahme des EuGH auf die ex-ante-Betrachtung bei Beihilfen im Rahmen des Art. 108 Abs. 3 AEUV spricht jedoch für die zweite Auslegungsvariante.

Kriterien für die Berechnung des Grundstückswerts im Einklang mit EU-Beihilfenrecht

Die zweite Vorlagefrage bezog sich darauf, ob der wirtschaftliche Wert eines Grundstücks nach den in den Ergänzenden Bestimmungen zum Staatseigentumsgesetz Bulgariens festgelegten Kriterien berechnet werden kann. Diese Kriterien beziehen sich auf Durchschnittspreise von Immobiliengeschäften, die ähnliche Merkmale wie die zu bewertenden Grundstücke aufweisen und in der Nähe liegen. Dabei muss mindestens eine der Parteien ein Gewerbetreibender sein und die Geschäfte innerhalb von zwölf Monaten vor der Bewertung anhand der Kriterien abgeschlossen worden sein. Dann würde es an einer Begünstigung und somit der Anwendbarkeit des Beihilfenverbots fehlen.

Der EuGH antwortete, dass Art. 107 AEUV der Anwendung der genannten Kriterien nicht grundsätzlich entgegensteht, sofern die Kriterien mit dem Beschluss der Kommission über die Rückforderung der Beihilfe vereinbar sind und der Marktwert der betreffenden Grundstücke zum Zeitpunkt des Tauschgeschäfts mithilfe dieser Kriterien zuverlässig ermittelt werden kann. Der Marktwert ist der Preis, den ein unter Marktbedingungen handelnder privater Investor hätte festsetzen können. Bei der Ermittlung des Marktwerts müssen Faktoren wie die Praxis der Immobiliengeschäfte, mögliche Unterbewertungen und die zeitliche Nähe der Vergleichsverkäufe berücksichtigt werden. Falls notwendig, kann das nationale Gericht eine Toleranzmarge akzeptieren, die auch zu einer Abweichung vom theoretischen Marktwert nach der oben genannten Definition führen kann. Erfolgt die Bewertung des Grundstücks nachträglich, muss der Mitgliedstaat den Marktwert der betreffenden Grundstücke zum Zeitpunkt des beanstandeten Tauschgeschäfts beurteilen.

Praxistipps für rechtssichere Grundstücksveräußerung durch die öffentliche Hand

Das Urteil des EuGH verdeutlicht die Komplexität der beihilfenrechtskonformen Veräußerung von Grundstücken durch die öffentliche Hand. Selbst wenn keine wirtschaftlichen Tätigkeiten auf dem betreffenden Grundstück vorgenommen werden, kann eine Beihilfe vorliegen. Obwohl der EuGH die Möglichkeit anerkennt, nationale Regelungen zur Bestimmung des Marktwerts heranzuziehen, muss der Preis letztlich den Anforderungen des EU-Beihilfenrechts an die Ermittlung eines entsprechenden Marktwerts entsprechen. Um eine Beihilfe bei der Veräußerung von Grundstücken auszuschließen, gibt es zwei rechtlich empfehlenswerte Methoden: Die Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens zur Ermittlung des Marktwerts oder die Einholung eines Verkehrswertgutachtens durch einen unabhängigen Sachverständigen und die Veräußerung zum entsprechenden Wert.

Was kann die öffentliche Hand tun, wenn sie Grundstücke unter dem Verkehrswert veräußern will, um bestimmte Zwecke wie die Förderung von Kulturangeboten oder Forschungseinrichtungen zu unterstützen? Um eine beihilfenrechtskonforme Veräußerung sicherzustellen, kann sie die daraus resultierende Beihilfe durch Anwendung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung von der Notifizierungspflicht bei der EU-Kommission freistellen lassen.

Zurück