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Landkreis darf Defizit kommunaler Kliniken ausgleichen
Stuttgart, 23. März 2017
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat heute zum zweiten Mal die Klage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken e.V. gegen den Landkreis Calw wegen des Defizitausgleichs für die Kreiskliniken Calw gGmbH abgewiesen. Auch in den Jahren 2012 und 2013 habe es sich dabei nicht um eine nach den EU-Wettbewerbsregeln verbotene Beihilfe gehandelt. Die Entscheidung des OLG Stuttgart eröffnet der öffentlichen Hand weitere beihilfenrechtliche Argumentationsspielräume in der Defizitfinanzierung öffentlicher Unternehmen mit nur lokaler oder regionaler Bedeutung.
Hintergrund des Verfahrens ist eine Musterklage der privaten Krankenhausbetreiber mit dem Ziel, dem Landkreis zu untersagen, das Defizit der Kreiskliniken Calw gGmbH auszugleichen. Entscheidend ist dabei die Frage, ob es sich eine nach den EU-Wettbewerbsregeln verbotene Beihilfe handelt. Das Landgericht Tübingen und das OLG Stuttgart hatten den Defizitausgleich als konform mit dem Beihilfenrecht beurteilt, weil der Landkreis zum Betrieb des Krankenhauses gesetzlich verpflichtet sei. Die hiergegen eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 22. März 2016 zurückgewiesen, soweit sie sich gegen den Ausgleich der Verluste der Kreiskliniken für den Zeitraum ab dem Jahr 2014 richtete. Für diesen Zeitraum stellte der BGH fest, dass die Zuwendungen des Landkreises von der Notifizierungspflicht zur Europäischen Kommission freigestellt sind, da sie auf der Grundlage eines neuen Betrauungsakts des Landkreises vom 19. Dezember 2013 gewährt wurden.
Im Hinblick auf die Ausgleichsleistungen für die Jahre 2012 und 2013 hatte der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG Stuttgart zurückverwiesen, da der frühere Betrauungsakt vom 22. April 2008 nach Auffassung des BGH nicht sämtliche Anforderungen der sogenannten „Freistellungsentscheidung“ der Europäischen Kommission erfülle.
Das OLG Stuttgart hatte nun zu prüfen, ob die Zuwendungen des Landkreises an die Kreiskliniken überhaupt staatliche Beihilfen darstellen, oder ob sie bereits nicht geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Ist diese Frage zu verneinen, fehlt es bereits am Tatbestand einer Beihilfe. Es kommt nicht mehr darauf an, ob ein „Betrauungsakt“ den Defizitausgleich „rechtfertigt“. Unter Berücksichtigung der jüngsten Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission zum Gesundheits- und Pflegebereich ist das Vorliegen einer Beihilfe durchaus zweifelhaft.
Das OLG Stuttgart hat unter Würdigung dieser Entscheidungspraxis der Kommission die möglichen Auswirkungen der Zuwendungen des Landkreises an die Kreiskliniken Calw auf den zwischenstaatlichen Handel umfassend geprüft. Unter Berücksichtigung der konkreten Situation der Kliniken mit ihren Häusern in Calw und Nagold kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Zahlungen des Landkreises Calw bereits tatbestandlich keine Beihilfen darstellen und die Klage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken e.V. deshalb auch im Hinblick auf die Jahre 2012 und 2013 zurückzuweisen sei.
Berater Landkreis Calw: Menold Bezler (Stuttgart): Dr. Stefan Meßmer (Partner, Kartell- und Beihilfenrecht), Dr. Beatrice Fabry (Partnerin, Unternehmen der öffentlichen Hand), Dr. Matthias Schröder (Partner, Wettbewerbsrecht, Prozessführung)
Berater BDPK e.V. KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH: Dr. Matthias Aldejohann (Prozessführung, Büro Dresden), Dr. Carsten Jennert, LL.M. (Beihilfenrecht, Frankfurt am Main) (laut Pressemeldungen in diesem Verfahren für den BDPK mandatiert)