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Neue gesetzliche Regelungen zu Forschungs- und Entwicklungskooperationen

Fachbeiträge
Neue gesetzliche Regelungen zu Forschungs- und Entwicklungskooperationen

Forschen Unternehmen gemeinsam oder entwickeln gemeinsam ein Produkt, kann dies die Innovation fördern, aber auch den Wettbewerb beschränken – allein schon, weil nicht jedes Unternehmen selbst die innovativste Lösung sucht, mit der es in Wettbewerb zu anderen treten kann.

Forschungs- und Entwicklungskooperationen, sei es mit Unternehmen oder unternehmerisch tätigen Forschungsinstituten, unterliegen daher grundsätzlich dem Kartellverbot. Demnach sind wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen auch im Bereich der Forschung und Entwicklung grundsätzlich verboten. Ausnahmen zum Kartellverbot in diesem Bereich hat der Gesetzgeber in der Forschungs- und Entwicklungsverordnung (FuE-GVO) geregelt. Diese europaweit einheitlich geltende und unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten anwendbare Verordnung 2023/1066 ist zum 1. Juli 2023 in novellierter Fassung in Kraft getreten.

Nach Art. 6 FuE-GVO sind Forschungs- und Entwicklungskooperationen grundsätzlich vom Kartellverbot befreit, soweit es sich um eine Zusammenarbeit zwischen Nicht-Wettbewerbern handelt oder sowie der gemeinsame Marktanteil beteiligter Wettbewerber maximal 25 % beträgt. Allerdings dürfen sich die Beteiligten der Kooperation nach Art. 8 FuE-GVO nicht über die künftigen Verkaufspreise der gemeinsam entwickelten Produkte abstimmen, dürfen keine Drosselung der Produktionsmengen vereinbaren und dürfen der jeweils anderen Partei nach Abschluss der Forschungs- und Entwicklungsphase auch keine Forschung- und Entwicklung mit Dritten untersagen.

Grundlegende Voraussetzung für die Freistellung vom Kartellverbot bleibt nach Art. 3 FuE-GVO – wie schon nach vorheriger Rechtslage – dass alle Parteien für die Zwecke weiterer Forschung und Entwicklung und für die Zwecke der Verwertung uneingeschränkten Zugang zu den Endergebnissen der gemeinsamen Forschung und Entwicklung oder der Auftragsforschung und -entwicklung haben. Handelt es sich um eine Zusammenarbeit ohne nachfolgende gemeinsame Verwertung der Ergebnisse, müssen sich die Parteien zusätzlich auch Zugriff auf ihr Alt-Know-how gewähren, soweit dieses Know-how für die Verwertung der Ergebnisse unerlässlich ist. Die FuE-GVO greift dann wie ein „Schutzschild“ vor dem Kartellverbot ein, d.h. das gesetzliche Verbot findet auf Vereinbarungen von Unternehmen, die die Voraussetzungen der FuE-GVO erfüllen, keine Anwendung.

Neu ist eine gesetzlich festgeschriebene Priorisierung bei der Berechnung der Marktanteilsschwelle von 25 % nach Art. 7 FuE-GVO. Demnach hat eine Marktanteilsschätzung auf Grundlage von Umsätzen der Forschungs- und Entwicklungspartner im Vergleich zum Umsatzvolumen aller Marktteilnehmer Vorrang vor einer Marktanteilsschätzung auf Grundlage von Absatzmengen. Wenn eine Schätzung weder auf Grundlage von Umsätzen noch von Mengen möglich ist, dürfen Schätzungen vorgenommen werden, die auf anderen verlässlichen Marktdaten beruhen, so etwa auf den Ausgaben oder den Kapazitäten im Bereich der Forschung und Entwicklung.

Ungeregelt bleibt in der FuE-GVO die Situation, in der Unternehmen keines „Schutzschilds“, sondern eher eines „Schwerts“ bedürfen, um an den Entwicklungsergebnissen teilzuhaben. Treffen die Beteiligten einer Forschungs- oder Entwicklungskooperation nämlich keine Vereinbarung über den Zugang zu den Ergebnissen ihrer Zusammenarbeit, sieht auch das Gesetz keinen Zugang aller Beteiligten vor. Vielmehr ist allein die Anwendung des Kartellverbots (und somit typischerweise die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Klauseln in der FuE-Vereinbarung nach § 134 BGB) der Fall. Das schützt jedoch nicht die Unternehmen, die keinen vertraglichen Zugriff auf Schutzrechte und sonstige Rechte an den Entwicklungsergebnissen erhalten, sondern belastet diese vielmehr durch erhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf eine mögliche Gesamtnichtigkeit der Entwicklungszusammenarbeit nach § 139 BGB.

Haben Unternehmen ein Interesse an einer rechtssicheren Vereinbarung über die Zuweisung und Nutzung von Schutzrechten und Know-how im Rahmen einer Forschungs- oder Entwicklungszusammenarbeit mit anderen, sollten sie somit unbedingt darauf achten, bereits vor Beginn der Zusammenarbeit eine Vereinbarung darüber zu schließen, die im Einklang mit der neuen FuE-GVO steht. Die FuE-GVO enthält eine Schonzeit bis 30. Juni 2025 für Vereinbarungen, die bis zum 30. Juni 2023 geschlossen werden, und nicht die Voraussetzungen der neuen FuE-GVO erfüllen, aber mit den bislang geltenden kartellrechtlichen Regelungen zu Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung konform waren. Für alle seit 1. Juli 2023 abzuschließenden Kooperationsvereinbarungen im Bereich Forschung und Entwicklung gilt ausschließlich das neue Recht.

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