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Die ersten beihilfenrechtlichen Auswüchse des Green Deal Industrial Plans der Europäischen Union
Am 1. Februar 2023 hat die Europäische Kommission den Green Deal Industrial Plan vorgestellt. Dieser gibt die Marschroute zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft in der EU vor mit dem Ziel einer CO2-neutralen Industrie bis zum Jahre 2050. Eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung soll das EU-Beihilfenrecht spielen. Dementsprechend hat die Europäische Kommission am 9. März 2023 sowohl das Temporary Crisis and Transition Framework („TCTF“, im Deutschen: „befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge des Angriffs Russlands auf die Ukraine – Krisenbewältigung und Gestaltung des Wandels“) verabschiedet und auch die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung („AGVO“) überarbeitet.
Das Beihilfenrecht sieht im Grundsatz vor, dass alle Beihilfen bei der Europäischen Kommission angemeldet und von dieser freigegeben werden müssen, bevor der jeweilige Fördermittelgeber die Beihilfe an das betreffende Unternehmen gewähren darf.
Neue Fördermöglichkeiten dank TCTF
Zwar lässt der TCTF die Anmeldepflicht nicht entfallen, allerdings schafft er insofern Rechtssicherheit, als die Europäische Kommission angemeldete Beihilfen freigeben wird, sofern sie die Voraussetzungen des TCTF erfüllen.
Der TCTF ändert den Temporary Crisis Framework („TCF“) ab und erweitert dessen Anwendungsbereich dabei erheblich. Ein erklärtes Ziel der neu hinzugekommenen Regelungen ist, die Abwanderung von Unternehmen in Nicht-EU-Staaten zu verhindern. Der TCTF ist damit auch eine europäische Antwort auf den im August 2022 in Kraft getretenen US Inflation Reduction Act. Letzterer sieht umfassende Subventionsmöglichkeiten für in den USA hergestellte nachhaltige Technologieprodukte vor.
Der TCTF vereinfacht die Beihilfengewährung für nachhaltige Technologien. Ebenso sieht der TCTF auch neue Maßnahmen vor, die Investitionen in bestimmte Schlüsselsektoren vorantreiben und die Abwanderung in Drittstaaten verhindern sollen:
Unternehmen, deren Technologien den aktuellen Umweltstandards entsprechen, können für Projekte, die teilweise in einer wirtschaftlich benachteiligten Region realisiert werden, Beihilfen bis zu dem Betrag gewährt werden, den sie bei einer Investition in Staaten außerhalb der EU erhalten würden (sog. Matching Aid). Alternativ kann die Beihilfe auch in Höhe der Finanzierungslücke, also dem Betrag, der ein Unternehmen dazu bewegen würde, im EWR zu investieren, gewährt werden (sog. Funding Gap). Der Aufwand für die Gewährung dieser Art der Beihilfen dürfte für beide Seiten nicht unerheblich sein: Es muss nachgewiesen werden, dass ohne die Beihilfe das Risiko besteht, dass begünstigte Unternehmen die Investition nicht im EWR tätigen würden und dass die Investition nicht innerhalb des EWR verlagert wird. Das antragstellende Unternehmen hat überdies ausführliche Informationen über die Investition vorzulegen, einschließlich der erwarteten positiven Auswirkungen auf das betreffende Gebiet im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten.
Weiterhin werden Beihilfen für Projekte, die sich zum Ziel gesetzt haben
(1) die Einführung erneuerbarer Energien, Speicheranlagen und erneuerbarer Wärme zu beschleunigen,
(2) industrielle Produktionsprozesse zu dekarbonisieren und
(3) Investitionen in Schlüsselsektoren der klimaneutralen Wirtschaft zu beschleunigen (z. B. Batterien, Solarzellen, Windturbinen, Wärmepumpen, Elektrolyseure)
vereinfacht.
Damit bietet der TCTF für Unternehmen, die mit ihrer Technologie die Klimawende vorantreiben eine Chance, beträchtliche öffentliche Mittel für Investitionen innerhalb der EU zu erhalten.
Erweiterung der Fördermöglichkeiten nach der AGVO
Die AGVO nimmt bestimmte Gruppen von Beihilfen aus der Anmeldepflicht heraus, wenn die in der AGVO festgelegten allgemeinen und besonderen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die von der Kommission vorgenommenen Änderungen bieten künftig mehr Möglichkeiten bei der Gestaltung und Umsetzung von Fördermaßnahmen in Sektoren, die für den Übergang zur Klimaneutralität und zu einer klimaneutralen Wirtschaft bedeutend sind.
Dies soll zum einen dadurch erreicht werden, dass die Anmeldeschwellenwerte bereits existierender Freistellungstatbestände angehoben und zum anderen neue Freistellungstatbestände in die AGVO aufgenommen wurden. Letztere betreffen Beihilfen im Bereich Umweltschutz und Energie, insbesondere für den Einsatz erneuerbarer Energien, Dekarbonisierungsprojekte, Projekte zur Förderung der Biodiversität sowie CO2-neutrale Mobilität ebenso wie für Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse im Bereich Forschung und Entwicklung sowie im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation.
Ziel der Überarbeitung ist es, mehr Vorhaben aus dem Bereich klimaneutraler und emissionsarmer Technologien von der Anmeldepflicht bei der Kommission freizustellen, um diese künftig schneller und effizienter in den Mitgliedstaaten umzusetzen.