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EU-Taxonomieverordnung: Ein Schlüssel für grüne Investitionen der öffentlichen Hand

Öffentliche Hand
EU-Taxonomieverordnung: Ein Schlüssel für grüne Investitionen der öffentlichen Hand

Mit dem Green Deal will die Europäische Union bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Die EU-Taxonomie-Verordnung, die am 1. Juli 2021 in Kraft trat, stellt einen zentralen Bestandteil dieser europäischen Klimapolitik dar. 

Mit der Einführung der EU-Taxonomieverordnung hat die Europäische Union einen klaren Rahmen geschaffen, um nachhaltige Investitionen zu fördern und sicherzustellen, dass öffentliche Mittel gezielt für Projekte eingesetzt werden, die einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Für die öffentliche Hand, die einen erheblichen Teil der Investitionen in Infrastruktur, Bauvorhaben und Mobilitätsprojekte verantwortet, bedeutet dies, dass die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie bereits in der Ausschreibungsphase berücksichtigt werden müssen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Investitionen – insbesondere in langfristige Vermögenswerte (Capex) – am Ende als „grün“ nach der EU-Taxonomieverordnung klassifiziert werden. Versäumt man es hingegen, diese Kriterien frühzeitig zum Beispiel in Ausschreibungen einzubinden, wird es in der Folge nahezu unmöglich, eine nachträgliche Anerkennung von Capex oder Opex als taxonomiefähig zu erlangen.

Die EU-Taxonomieverordnung: Nachhaltigkeit als zentrales Ziel

Die EU-Taxonomieverordnung (Verordnung (EU) 2020/852) dient als verbindliches Instrument, um zu definieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig eingestuft werden können. Dies erfolgt anhand klarer technischer Bewertungskriterien, die auf die nachgenannte sechs Umweltziele abzielen:

 

  1. Klimaschutz,

  2. Anpassung an den Klimawandel,

  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,

  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,

  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,

  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme.

 

Für öffentliche Auftraggeber ist es von entscheidender Bedeutung, diese Kriterien bereits bei der Ausschreibung von Projekten zu berücksichtigen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Investitionen später als taxonomiefähig gelten und zur Erreichung der europäischen Klimaziele beitragen. Besonders im Kontext der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit bei der Mittelvergabe auf EU-Ebene – etwa im Rahmen des „Green Deal“ – wird die Einhaltung dieser Vorgaben immer wichtiger. Durch die kommenden Reportinganforderungen der Corporate Sustainability Reporting Directive kurz CSRD (EU) 2022/2464 müssen immer mehr Unternehmen der öffentlichen Hand entsprechend über ihren Anteil des grünen Umsatz, des grünen Capex und Opex berichten.

Capex und Opex: Warum die technische Prüfung in der Ausschreibung zählt

Kapitalinvestitionen in öffentliche Infrastrukturprojekte (Capex) sind von langfristiger strategischer Bedeutung und prägen den ökologischen Fußabdruck öffentlicher Institutionen über Jahrzehnte. Um sicherzustellen, dass diese Investitionen den Anforderungen der EU-Taxonomie gerecht werden, müssen die relevanten technischen Kriterien schon in der Planungs- und Ausschreibungsphase klar festgelegt bzw. berücksichtigt werden. Versäumnisse an dieser Stelle können dazu führen, dass Projekte später nicht als nachhaltig eingestuft werden, was finanzielle und reputative Nachteile nach sich zieht bzw. ziehen kann.

Wird etwa ein öffentliches Bauprojekt ausgeschrieben, ohne dabei Materialien oder Verfahren zu spezifizieren, die den technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie entsprechen, ist es nahezu unmöglich, die Investition nachträglich als „grün“ zu deklarieren. Gleiches gilt für laufende Betriebskosten (Opex), die ebenfalls taxonomiekonform bzw. -fähig gestaltet werden müssen, um langfristig nachhaltige öffentliche Beschaffungen zu gewährleisten.

Praxisbeispiel Hochbau: CO₂-armer Zement für öffentliche Bauprojekte

Ein konkretes Beispiel, das die Bedeutung der frühzeitigen Berücksichtigung der EU-Taxonomiekriterien verdeutlicht, ist der Einsatz von Baumaterialien wie Zement im öffentlichen Hochbau. Die Zementproduktion ist ein CO₂-intensiver Prozess, der etwa 8 % der weltweiten CO₂-Emissionen verursacht. Um öffentliche Bauprojekte als taxonomiekonform zu klassifizieren, müssen die bei der Ausschreibung geforderten Materialien bestimmte Emissionsgrenzwerte einhalten. Laut den technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie darf der CO₂-Ausstoß bei der Zementproduktion nur eine bestimmte Grenze überschreiten, und es müssen Technologien zur Reduktion der Emissionen, wie etwa die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), in den Herstellungsprozess integriert werden.

Wenn eine öffentliche Vergabestelle ein neues Schulgebäude oder eine Verwaltungseinrichtung plant und den Einsatz von CO₂-armem Zement nicht von vornherein in die Vergabebedingungen aufnimmt, wird es fast unmöglich sein, die Baumaßnahme später als taxonomiefähig einzustufen. Nachträgliche Änderungen am Bauprozess sind nicht nur teuer, sondern oft auch technisch nicht mehr realisierbar. Demgegenüber können öffentliche Institutionen, die die Taxonomiekriterien von Anfang an berücksichtigen, nicht nur zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beitragen, sondern auch ihre Projekte für eine nachhaltige Finanzierung durch die EU qualifizieren.

Beispiel Elektromobilität: Nachhaltige Flottenbeschaffung für den öffentlichen Sektor

Auch bei der Beschaffung von Fahrzeugflotten für den öffentlichen Nahverkehr oder die Verwaltung spielt die EU-Taxonomieverordnung eine zentrale Rolle. Elektrofahrzeuge gelten als Schlüsseltechnologie für den Übergang zu einer klimaneutralen Mobilität. Die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie umfassen jedoch nicht nur die emissionsfreie Nutzung von Elektrofahrzeugen, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette, insbesondere die Produktion und Entsorgung von Batterien.

Öffentliche Auftraggeber müssen bei der Ausschreibung von Elektrofahrzeugen sicherstellen, dass die Batterien unter Berücksichtigung hoher Umwelt- und Sozialstandards produziert wurden. Insbesondere muss gewährleistet sein, dass die Rohstoffe für die Batterien (z.B. Lithium und Kobalt) verantwortungsvoll abgebaut und recycelt werden. Ohne diese Vorgaben in der Ausschreibung besteht das Risiko, dass die gesamte Flottenbeschaffung später nicht als taxonomiefähig gilt. Um solche Fallstricke zu vermeiden, sollten Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Batterieproduktion sowie an Recyclingprozesse von Anfang an explizit in die Vergabebedingungen z.B. bei der Ausschreibung von Fahrzeugen oder Flotten aufgenommen werden.

Herausforderungen der nachträglichen Korrektur

Ein häufiges Problem besteht darin, dass versucht wird, Projekte oder Beschaffungen nachträglich taxonomiefähig zu machen. Dies gestaltet sich jedoch als äußerst schwierig und oft ineffizient. Sobald Verträge vergeben und Projekte gestartet sind, ist es in der Regel zu spät, die technischen Kriterien der Taxonomie zu implementieren. Die nachträgliche Dokumentation und der Nachweis der Einhaltung der Taxonomiekriterien sind aufwendig und führen selten zum gewünschten Ergebnis.

Ein weiterer Risikofaktor ist, dass die öffentliche Hand zunehmend an Transparenz und Glaubwürdigkeit gewinnen muss. Nachhaltigkeitsberichte und -ausweise, die auf taxonomiekonformen Investitionen basieren, werden für Bürger und Institutionen gleichermaßen wichtiger. Der Versuch, Nachhaltigkeit im Nachhinein zu „erzwingen“, kann zu rechtlichen Auseinandersetzungen und Reputationsverlusten führen. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass eine vorausschauende und gut geplante Berücksichtigung der EU-Taxonomiekriterien unabdingbar ist.

Fazit: Nachhaltigkeit beginnt bei der Ausschreibung

Für öffentliche Auftraggeber wird es immer wichtiger, die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie bereits in der Ausschreibungsphase zu berücksichtigen. Dies betrifft beispielsweise sowohl große Bauprojekte als auch Beschaffungen im Bereich der Elektromobilität oder anderer Infrastrukturbereiche. Eine frühe Integration der Nachhaltigkeitsanforderungen stellt sicher, dass Investitionen am Ende als „grün“ klassifiziert werden können, ohne dass kostspielige und ineffiziente Anpassungen erforderlich sind. Gleichzeitig schafft dies die Grundlage für eine nachhaltige öffentliche Verwaltung und trägt zur Erreichung der europäischen Klimaziele bei.

Die Berücksichtigung der Taxonomiekriterien in Vergabeverfahren ist damit nicht nur eine rechtliche Notwendigkeit, sondern auch ein strategischer Vorteil für öffentliche Institutionen, die ihren ökologischen Fußabdruck minimieren und gleichzeitig von nachhaltigen Finanzierungsquellen profitieren möchten.

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