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EuGH: Funktionale Leistungsbeschreibung auch bei Bauvergaben gleichrangig mit Leistungsverzeichnis!
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Im öffentlichen Bauwesen zeichnet sich zunehmend ein Trend zur gesamthaften Vergabe von Planungs- und Bauleistungen aus einer Hand ab. Diese sog. „Totalunternehmervergabe“ bietet gegenüber der Ausschreibung in vielen Einzelgewerken oft zahlreiche Vorteile, insbesondere eine hohe Kosten- und Terminsicherheit. Auch ist es z.B. möglich, über die Nutzung des sog. „Zwei-Umschlag-Verfahrens“ Elemente eines Architektenwettbewerbs in das Vergabeverfahren zu integrieren. Notwendig für eine Vergabe von Planungs- und Bauleistungen aus einer Hand ist eine sog. „funktionale Leistungsbeschreibung“.
Die Wahl einer funktionalen Leistungsbeschreibung wird der öffentlichen Hand aber derzeit (noch?) durch eine Vorschrift erschwert, die eine Besonderheit des deutschen Bauvergaberechts ist. Der noch aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammende § 7c (EU) VOB/A sieht funktionale Leistungsbeschreibungen (sog. „Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm“) lediglich im Ausnahmefall vor, in der Regel sollen öffentliche Auftraggeber Leistungsverzeichnisse erstellen.
Der Europäische Gerichtshof entschied nun allerdings anlässlich einer Streitigkeit in einem Bauvergabeverfahren, dass die europäische Vergaberichtlinie die Methoden zur Erstellung einer Leistungsbeschreibung abschließend regelt. Eine zulässige Methode ist gemäß Art. 42 Abs. 3 RL 14/2024/EU insbesondere auch die Leistungsbeschreibung „mittels Leistungs- und Funktionsanforderung.“ Der Gerichtshof stellte dabei ausdrücklich klar, dass zwischen den Methoden der Leistungsbeschreibung keine Hierarchie bestehe. Ein Vorrang des Leistungsverzeichnisses, wie ihn § 7c (EU) VOB/A regelt, widerspricht also den Vorgaben der EU-Vergaberichtlinie – und die geht nationalem Recht in ihrer Wirkung vor.
Praxishinweis
Der im deutschen Bauvergaberecht vorgesehene, grundsätzliche Vorrang des Leistungsverzeichnisses gegenüber der funktionalen Leistungsbeschreibung scheint nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH kaum haltbar. Auch andere aktuelle Entscheidungen bestätigen dies (vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.04.2024, AZ.: 1 VK 10/24).
Maßgebliche Entscheidung: EuGH, Urteil vom 16.01.2025 - Rs. C-424/233