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„Wir sind Papst“ – Bild-Schlagzeile urheberrechtlich geschützt
Die Schlagzeile „Wir sind Papst“ am Tag nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst im Jahr 2005 beschäftigt derzeit die deutsche Justiz. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg entschied kürzlich, dass der damals in der Bild-Zeitung veröffentlichte Slogan urheberrechtlich geschützt ist, da er das im Urheberrecht erforderliche Maß an individueller Schöpfungshöhe besitzt und zu einer geflügelten Redewendung wurde.
Der Sachverhalt: Axel Springer verklagt Plattformen für Stockmedien wegen Urheberrechtsverletzung
Die Axel Springer Deutschland GmbH stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Betreiber der Plattformen für Stockmedien www.alamy.com und www.alamy.de. Diese Plattformen boten Fotos an, die unter anderem die Titelseite der Bild-Zeitung vom 20. April 2005 mit der Überschrift „Wir sind Papst“ an der Fassade des Verlagshauses in Berlin zeigten. Axel Springer machte geltend, dass das Bildmaterial von alarmy nicht zur Lizenzierung angeboten werden dürfe und die Schlagzeile urheberrechtlich geschützt sei. Gegen alarmy bestehe daher ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 Abs. 1, 19a UrhG. Das Landgericht Hamburg gab Axel Springer mit Urteil vom 7. September 2023 recht. Dagegen legte alarmy Berufung ein.
Die Entscheidung: Urheberrechtlicher Schutz für „Wir sind Papst“
Das OLG Hamburg entschied zugunsten von Axel Springer und bestätigte insbesondere, dass der Slogan „Wir sind Papst“ urheberrechtlich geschützt ist. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 97 Abs. 1, 19a UrhG liegen aus folgenden Gründen vor:
Die Schlagzeile „Wir sind Papst“ genießt als Sprachwerk i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG urheberrechtlichen Schutz. Sie erfüllt die Anforderungen an die sog. „kleine Münze“, wonach auch eine nur geringere Schöpfungshöhe ausreicht. Der Slogan bringt nach Auffassung des Gerichts eine Individualprägung des Autors Georg Streiter zum Ausdruck, der den bestehenden Gestaltungsspielraum eigenschöpferisch ausnutzte. Er fasste das Ergebnis der Papstwahl und die damit verbundene Überraschung und Freude der deutschen Bevölkerung prägnant in drei Worten zusammen.
Das OLG Hamburg verglich „Wir sind Papst“ mit dem Slogan „Wir sind Weltmeister“, der dem Autor als Inspiration diente. Das Gericht stellte aber einen hinreichenden Abstand fest, da „Wir sind Weltmeister“ auch durch „Deutschland ist Weltmeister“ ersetzbar wäre. Eine solche Ersetzung wäre für „Wir sind Papst“ nicht möglich, da „Deutschland ist Papst“ oder „die Deutschen sind Papst“ keine zutreffende Aussage ist.
Als weiteres Indiz für die Schutzfähigkeit zog das Gericht die Anerkennung des Slogans in Fachkreisen und der Öffentlichkeit heran. Dazu zählte der zweite Platz unter den „Wörtern des Jahres 2005“ sowie die späteren Abwandlungen zu „Wir sind Kanzler“, „Wir sind Oscar“ und „Wir waren Papst“.
Fazit und Ausblick: Präzise Kriterien zur Beurteilung der Schöpfungshöhe eines Slogans
Das Urteil des OLG Hamburg zeigt, dass ausnahmsweise auch kurze und prägnante Slogans urheberrechtlichen Schutz genießen können. Dass das nicht immer so ist, zeigen frühere Entscheidungen. Das OLG Köln entschied beispielsweise 2016, dass der Slogan „Wenn das Haus nasse Füße hat“ keinen Urheberschutz besitzt (Az. U 120/15). Auch dem Slogan „Früher war mehr Lametta“ sprach das OLG München 2019 eine hinreichende Schöpfungshöhe ab (Az. 6 W 927/19). Der Unterschied: „Wir sind Papst“ besitzt als Schlagzeile für ein historisches Ereignis eine tiefere Bedeutung und wurde zudem in Fachkreisen und der Öffentlichkeit anerkannt.
Maßgebliche Entscheidung: OLG Hamburg, Urteil vom 29. August 2024 – 5 U 116/23
Ansprechpartner: Manfred Hammer, LL.M. (Kapstadt), Rechtsanwalt, Leona Benítez Fernández, Rechtsanwältin