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Einführung von Commercial Courts für große Wirtschaftsstreitigkeiten
Nach langen Jahren und vielen Anläufen soll es nun soweit sein: Am 4. Juli 2024 hat der Bundestag das „Justizstandort-Stärkungsgesetz“ (BT Drs. 20/8649) angenommen. Auf den letzten Metern wurden im parlamentarischen Verfahren noch Anpassungen vorgenommen (BT Drs. 20/11466). Damit steht nun ein umfassendes Reformpaket zur Stärkung des Gerichtsstandorts Deutschland bereit. Es folgt noch die Beratung im Bundesrat. Das Gesetz bringt weitreichende Änderungen für die deutsche Gerichtslandschaft mit sich, wobei die Einrichtung von Commercial Courts auf Ebene der Oberlandesgerichte im Mittelpunkt steht. Die Länder werden hierzu weitreichend ermächtigt.
Die wichtigsten Punkte der Reform im Überblick:
- Einrichtung von Commercial Courts: Die Länder können künftig an den Oberlandesgerichten Commercial Courts einrichten. Diese werden bedeutende Wirtschaftszivilsachen erstinstanzlich und nach besonderen Regeln verhandeln.
- Zuständigkeit: Die Commercial Courts sind zuständig für handelsrechtliche Streitigkeiten, Streitigkeiten aus Unternehmenskauf und Organstreitigkeiten jeweils ab einem Streitwert von 0,5 Mio. EUR.
- Parteiautonomie: Voraussetzung für die Anrufung des Commercial Courts ist stets das Einverständnis der Parteien, sei es durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung (z.B. im Vertrag) oder durch Antrag und rügelose Einlassung im Verfahren.
- Instanzenzug: Der Instanzenzug für Streitigkeiten am Commercial Court ist verkürzt: In zweiter Instanz ist ohne Zulassungshürde nur die Revision zum Bundesgerichtshof eröffnet.
- Verhandlungssprache: Eine bedeutende Neuerung ist das Recht, Verfahren vor den Commercial Courts bei Einverständnis der Parteien vollständig in englischer Sprache zu führen. Dies gilt auch für Schriftsätze und gerichtliche Entscheidungen. Bislang war dies nur auf Ebene der Landgerichte in einigen englischsprachigen Kammern möglich, wobei die Akte weiterhin deutsch geführt wurde. Der BGH kann Revisionsverfahren in Streitigkeiten der Commercial Courts auf Englisch führen, ist dazu aber nicht verpflichtet.
- Geheimhaltung: auf Antrag können Geschäftsgeheimnisse vor Commercial Courts und auch vor allen anderen ordentlichen Gerichten als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden. Dieser Reformpunkt soll die ordentliche Gerichtsbarkeit für sensible Sachverhalte insgesamt attraktiver für die Parteien machen.
- Weitere Verfahrensregeln: Weitere flankierende Verfahrensregeln für die Verfahren am Commercial Court orientieren sich an der Schiedsgerichtsbarkeit: Vorgesehen sind insbesondere regelmäßige Organisationstermine und die Einführung von Wortprotokollen.
- Commercial Chambers an Landgerichten: Landgerichte können künftig sogenannte Commercial Chambers einrichten, die ebenfalls Verfahren in englischer Sprache führen können. Diese Commercial Chambers werden die bereits heute punktuell an Landgerichten eingerichteten Commercial Courts „alten Zuschnitts“ ablösen.
Die deutsche Justiz sucht mit der Einrichtung von Commercial Courts den Wettbewerb zu Schiedsverfahren und internationalen Gerichtsständen. Vertragsparteien sollen großvolumige Wirtschaftsstreitigkeiten stärker vor deutschen Gerichten austragen. Modernisierung, Spezialisierung und das erhoffte entsprechende Renommee der Commercial Courts entstehen zwar nicht über Nacht, doch die weitreichenden Reformen antworten auf die Bedürfnisse der Streitparteien nach einer effizienten und zeitgemäßen Konfliktlösung.
Es bleibt spannend, ob das Gesetz es in dieser Form auch durch den Bundesrat schafft und inwieweit die einzelnen Länder dann von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen. In jedem Fall erweitern die neuen Commercial Courts die Palette möglicher Streitlösungsforen in komplexen internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten um eine weitere attraktive Facette.