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Welche Unterlagen sind schon im Teilnahmewettbewerb bereitzustellen?
Seit der Vergaberechtsreform 2016 müssen öffentliche Auftraggeber bereits in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse angeben, unter der die Vergabeunterlagen vollständig und direkt abgerufen werden können. Fraglich ist, wie weit diese Verpflichtung bei zweistufigen Vergabeverfahren reicht. Eine Entscheidung des OLG München vom März letzten Jahres verstanden viele so, dass auch solche Unterlagen schon im Teilnahmewettbewerb bereitzustellen sind, die erst die spätere Angebotsphase betreffen, wie etwa der Vertragsentwurf oder die detaillierte Leistungsbeschreibung. Diese weitgehende Auffassung hat das OLG Düsseldorf nun in begrüßenswerter Weise relativiert.
Im entschiedenen Fall ging es um eine europaweite Vergabe im nicht offenen Verfahren, also einem Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb. Der Auftraggeber stellte in der Auftragsbekanntmachung über einen Link ein Bewerberanschreiben und ein Teilnahmeformular zur Verfügung. Des Weiteren beschrieb er in der Auftragsbekanntmachung die zu erbringenden Leistungen und benannte die Zuschlagskriterien und Unterkriterien, einschließlich deren jeweiliger Gewichtung. Die vollständigen Vergabeunterlagen sollten laut Auftragsbekanntmachung jedoch nur die ausgewählten Bieter bei Aufforderung zur Angebotsabgabe erhalten. Ein Unternehmen, das vergeblich den Vertragsentwurf gefordert hatte, leitete ein Nachprüfungsverfahren ein.
Ohne Erfolg! Der Auftraggeber musste den Vertragsentwurf nicht bereits im Teilnahmewettbewerb bereitstellen. Das OLG Düsseldorf erläuterte, dass § 41 Abs. 1 VgV nur regele, in welcher Art und Weise (nämlich vollständig) der elektronische Abruf möglich sein müsse. Der notwendige Umfang der Vergabeunterlagen ergebe sich hingegen aus § 29 Abs. 1 VgV. Dieser Vorschrift zufolge müssen die Vergabeunterlagen alle Angaben enthalten, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Dazu gehören nicht in jedem Fall auch die Vertragsunterlagen. Schon nach dem Wortlaut der Norm seien diese nur „in der Regel“ Bestandteil der Vergabeunterlagen. Welche Unterlagen im konkreten Fall erforderlich seien, hänge unter anderem von der gewählten Verfahrensart und der Bedeutung der konkreten Angaben für die Entscheidung zur Teilnahme am Verfahren ab.
Bei zweistufigen Vergabeverfahren müssen Unternehmen zunächst die Eignungsvoraussetzungen kennen. Des Weiteren reichten regelmäßig jene Informationen aus, die den Unternehmen eine belastbare Entscheidung darüber ermöglichen, ob die ausgeschriebenen Leistungen nach Art und Umfang in ihr Produktportfolio passen und es aus unternehmerischer Sicht sinnvoll erscheine, in den Teilnahmewettbewerb einzutreten. Für die spätere Angebotskalkulation relevante Einzelheiten benötigten sie hingegen in diesem Stadium noch nicht. Das OLG Düsseldorf sieht insoweit auch keinen Widerspruch zur vorigen Entscheidung des OLG München.
FAZIT
Spätestens jetzt steht fest, dass Auftraggeber auch nach „neuem“ Vergaberecht in zweistufigen Verfahren nicht sämtliche Vergabeunterlagen bereits mit der Auftragsbekanntmachung zum Download bereitstellen müssen. Notwendig aber auch hinreichend sind nur solche Unterlagen und Informationen, die interessierten Unternehmen eine belastbare Entscheidung über die Bewerbung im Teilnahmewettbewerb ermöglichen. Der Vertragsentwurf oder eine bis ins Letzte spezifizierte Leistungsbeschreibung dürften in vielen Fällen nicht dazu gehören. Dennoch sollten Auftraggeber dies natürlich im konkreten Fall überprüfen.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf dürfte im Übrigen auch für Unterschwellenvergaben und im Sektorenbereich Gültigkeit haben. Für Bauvergaben treffen die entsprechenden Normen der VOB/A klarere Regeln, die auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen dürften.
Maßgebliches Entscheidung: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2018 – VII-Verg 26/18