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Wege zu einer klugen Dispute Resolution Policy

Fachbeiträge
Wege zu einer klugen Dispute Resolution Policy

Wer Verträge schließt, hofft auf ihren reibungslosen Vollzug. Kommt es aber doch zum Streit, kann dieser viel Geld, Zeit und Nerven kosten. Oft scheitert eine ressourcenschonende und effiziente Konfliktlösung bereits an einer schlechten Grundlage im Vertrag. Die Schlussbestimmungen im Vertrag werden bei der Gestaltung regelmäßig vernachlässigt.

Im Ernstfall ist eine wirksame, passende Streitbeilegungsklausel das A und O. Wollen die Parteien einen potenziellen Streit vor einem staatlichen Gericht austragen oder vor einem Schiedsgericht? Lässt sich der Streit durch vorgeschaltete Versuche einvernehmlicher Lösung vielleicht sogar vermeiden? Hier bieten sich eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten und entscheidender Kriterien - angefangen bei der Nationalität der Vertragspartner, dem anwendbaren Recht und der individuellen Verhandlungspositionen bis hin zu Fragen der Erfolgschancen der Rechtsdurchsetzung und weiteren möglichen Regressansprüchen. Derartige Faktoren sollten bei der Vertragsgestaltung beachtet werden, um im Streitfall keine böse Überraschung zu erleben.

Bestimmte Dos and Don‘ts flankieren die Entwicklung einer präventiven Dispute Resolution Policy, die auf das Unternehmen zugeschnitten ist. Nachstehende Checkliste zeigt essentielle Kriterien auf, die bei der Ausgestaltung der typischen Verträge eines Unternehmens beachtet werden sollten.

  1. Vollstreckbarkeit: Wo müsste ein Titel ggf. vollstreckt werden? Im innerdeutschen Rechtsverkehr spielt der Aspekt keine Rolle. Auch innerhalb der EU lassen sich Urteile (gemäß der Brüssel Ia VO) und Schiedssprüche (nach Anerkennung und Vollstreckbarerklärung, §§ 1060 ff ZPO) rechtssicher und verhältnismäßig leicht vollstrecken. Weitaus komplizierter ist die Vollstreckung von Urteilen im Nicht-EU-Ausland. Staatsverträge, Anwendbarkeit des „Haager Übereinkommens“ (2019) oder die erforderliche Gegenseitigkeit sind eher selten. Häufig bietet eine Schiedsklausel die einzige Möglichkeit, um einen Titel am Sitz des ausländischen Vertragspartners tatsächlich vollstrecken zu können. Das „New Yorker Übereinkommen“ (1958) sichert die Vollstreckung von Schiedssprüchen fast weltweit. Dabei muss die Schiedsfähigkeit möglicher Ansprüche gerade in internationalen Sachverhalten überprüft werden.
  2. Verhandlungsmacht: Verständlich und allseits beliebt sind Gerichtsstandklauseln am Sitz des eigenen Unternehmens. Dies ist im Ergebnis nicht immer von Vorteil. Abhängig von der Verhandlungsposition lässt sich die favorisierte Klausel ggf. auch nicht immer durchsetzen – dann braucht es einen Plan B. „Neutrale“ Schiedsklauseln sind besonders im internationalen Rechtsverkehr häufig ein konsensfähiger Kompromiss, um keiner Partei einen Heimvorteil zu geben.
  3. Regressfalle: Parteien müssen aus dem Vertrag potenziell erwachsende Streitfälle bestmöglich antizipieren. Würde eine in Anspruch genommene Partei zum Beispiel bei ihrem Vorlieferanten oder Subunternehmer Regress nehmen wollen, wäre dies im Gerichtsverfahren ein Fall der Streitverkündung. Im Schiedsverfahren ist die Einbeziehung Dritter hingegen deutlich schwieriger. Regresskonstellationen sprechen deshalb oft für eine Gerichtsstandsklausel und gegen Schiedsverfahren.
  4. Vertraulichkeit: Manche Verträge, Projekte und Kooperationen sind vertraulich und sollen dies auch bleiben – erst recht im Streitfall. Die Möglichkeiten, ein Gerichtsverfahren vor den Blicken interessierter Dritter zu schützen, sind wegen des Öffentlichkeitsgrundsatzes sehr begrenzt. Häufig entscheiden sich Parteien aus diesem Grund für eine Schiedsvereinbarung, flankiert durch entsprechende Vertraulichkeitsvereinbarungen.
  5. Schnelligkeit: Im Unterschied zum staatlichen Gerichtsverfahren mit seinen drei Instanzen kann ein Schiedsspruch im Grundsatz nicht mit Rechtsmitteln angegriffen werden („one shot“). Obwohl auch Schiedsverfahren lange dauern können, ist die erwartete Schnelligkeit des Verfahrens für Parteien häufig ein Argument zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit. Die begrenzten Rechtsmittel können sich im Einzelfall auch zum Nachteil umkehren.
  6. Kosten: Schiedsverfahren gelten als teurer als staatliche Gerichtsverfahren. Dies ist so pauschal nicht richtig. Für hohe Streitwerte liegen die Verfahrenskosten deutscher Gerichtsverfahren über den Kosten gängiger Schiedsinstitutionen, zumal im Schiedsverfahren der Instanzenzug entfällt. Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) ist auch für niedrige Streitwerte verhältnismäßig günstig. Entscheidend sind in der Regel andere Aspekte, etwa die Rechtsanwalts-, Sachverständigen- oder Übersetzungskosten oder die Professionalität und Effizienz der Verfahrensführung.
  7. Ort der Streitbeilegung: Der gewählte Ort der Streitbeilegung sollte zum Verfahren passen. Obwohl Gerichte ausländisches Recht anwenden können, ist ein Auseinanderfallen von Gerichtsstand und anwendbarem Recht nicht optimal. In Schiedsklauseln bestimmt der Schiedsort über Verfahrensrecht und weitere Zuständigkeiten. Dabei sind Belange der Parteien, Zeugen, Schiedsrichter sowie die Sicherstellung der Anerkennung und Vollstreckung am Schiedsort zu beachten. Der Schiedsort und der Tagungsort des Schiedsgerichts können dabei auseinanderfallen. 
  8. Mehrstufige Klauseln: In sogenannten Eskalationsklauseln können die Parteien mehrere Stufen der Konfliktlösung vereinbaren (zum Beispiel Verhandlung – Mediation – Schiedsverfahren). Mehr oder weniger formalisierte alternative Streitlösungsmethoden (ADR) wie Verhandlung, Mediation oder Schlichtung erhöhen die Chance auf eine frühe und niederschwellige Einigung. Allerdings müssen Fristen und Übergänge einzelner Stufen genau geregelt werden. Der möglichen Vermeidung eines Rechtsstreits steht gegenüber, dass ein solcher sich durch vereinbarte vorgelagerte Konfliktlösungsversuche in die Länge ziehen kann.
  9. Musterklauseln und Wirksamkeitserfordernisse: Streitbeilegungsklauseln müssen klar und eindeutig formuliert sein, auch hinsichtlich ihres sachlichen, örtlichen und persönlichen Anwendungsbereichs. So wird in der Praxis oft eine Gerichtsstandsvereinbarung versehentlich nicht ausschließlich ausgestaltet. Bei Schiedsklauseln empfiehlt sich die Verwendung der Musterklauseln der gewählten Schiedsinstitution. Manchmal gelten am Schieds- oder Vollstreckungsort auch besondere und zwingende Formerfordernisse.
  10. Flexibilität: Die Besonderheiten möglicher Streitigkeiten aus einem Vertrag können ggf. mehr Flexibilität erfordern, als es staatliche Gerichte ermöglichen. In einer Schiedsklausel können die Parteien Verfahrenssprache, Schiedsort, Zahl und Qualifikationen der Schiedsrichter regeln. In technisch komplexen Verfahren kann die Möglichkeit der Wahl sachkundiger Schiedsrichter zu einer sachgerechteren Entscheidung führen. Auch bei der Beweisaufnahme kann die frühzeitige Beachtung von Besonderheiten essenziell für den Verfahrensausgang sein. Im Schiedsverfahren ist die Vernehmung von Zeugen im Ausland deutlich unkomplizierter. Andererseits kann ein Schiedsgericht keine Zwangsmaßnahmen anordnen.

Zu einem professionellen Vertragsmanagement gehören Hilfestellungen zur Auswahl und Ausgestaltung von Streitbeilegungsklauseln. Dazu eignen sich Checklisten und Musterklauseln. Die relevanten Kriterien sollten auf das eigene Unternehmen und die ggf. internationale Ausrichtung des Geschäfts zugeschnitten sein. Wichtig ist außerdem die sorgfältige Formulierung des Vertrages insgesamt. Die Vermeidung streitanfälliger Klauseln dient der Risikovorsorge – denn der beste Prozess bleibt der, der nicht geführt wird.

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