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"Wählen und Zählen!" - Aber wen?

Fachbeiträge

Künftig sind Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten der unternehmerischen Mitbestimmung im Unternehmen des Entleihers zu berücksichtigen. Dies schreibt das „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ (AÜG-ÄndG), das am 1. April 2017 in Kraft tritt, erstmals fest. Doch wann besteht überhaupt eine Pflicht zur Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats?

 

Nach dem deutschen Mitbestimmungsrecht ist ein Aufsichtsrat einzurichten, wenn bestimmte Mitarbeiterzahlen überschritten sind. Das Drittelbeteiligungsgesetz gilt für Kapitalgesellschaften, die „in der Regel“ mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Für Kapitalgesellschaften sowie für Unternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, die „in der Regel“ mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen, gilt das Mitbestimmungsgesetz. Maßgeblich sind dabei nicht nur die im eigenen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, zugerechnet werden auch die Arbeitnehmer abhängiger Gesellschaften.

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Schwellenwerten

Ausgangspunkt bleibt wie bisher der regelmäßige Beschäftigungsstand im Unternehmen. Kurzfristige Schwankungen sind unbeachtlich. Neben der aktuellen Zahl der Arbeitnehmer kommt es auf eine Prognose an, welche vergangene und künftige Entwicklungen des Beschäftigungsstands einbezieht. Ist ein Arbeitsplatz mit Leiharbeitnehmern besetzt, so sind diese künftig bei den Schwellenwerten zu berücksichtigen, sofern deren Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Die Regelungen sind nicht anwendbar bei konzerninternen und gelegentlichen Arbeitnehmerüberlassungen.

Grundfeste der deutschen Mitbestimmung erschüttert?

Im Recht der unternehmerischen Mitbestimmung könnte sich eine weitere erhebliche Veränderung anbahnen. Bisher entspricht es der überwiegenden Ansicht, dass im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmern kein Wahlrecht zusteht und sie nicht bei den Schwellenwerten für die unternehmerische Mitbestimmung zu berücksichtigen sind.

Nun hat das Kammergericht Berlin dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die Versagung des Wahlrechts der im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmer mit EU-Recht, namentlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit und dem Diskriminierungsverbot, vereinbar ist.

 

Nicht unmittelbar Gegenstand der Vorlage - mit ihr jedoch eng verbunden - ist die Frage, ob die im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmer auch im Rahmen der maßgeblichen Schwellenwerte mitzuzählen sind. Mit dieser Frage hat sich wiederum das Oberlandesgericht Frankfurt/M. befasst und das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. Sollte der EuGH die EU-Rechtswidrigkeit des deutschen Mitbestimmungsrechts annehmen, ist wohl davon auszugehen, dass künftig im EU-Ausland beschäftigte Arbeitnehmer im Rahmen der Schwellenwerte ebenfalls zu berücksichtigen sind.

 

Fazit: Das AÜG-ÄndG sowie die ausstehende Ent-scheidung des EuGH sind in mehrfacher Hinsicht brisant. Sowohl die Gesetzesänderung als auch die ausstehende Entscheidung des EuGH können dazu führen, dass in vielen Unternehmen ein Aufsichtsrat eingerichtet werden muss bzw. ein bestehender Aufsichtsrat zu einem Teil mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen ist. Maßgebliche Entscheidung: EuGH, Vorabentscheidungsersuchen „Konrad Erzberger gegen TUI AG“ - C-566/15 KG Berlin, Beschl. v 16.10.2015 - 14 W 89/15 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.06.2016 - 21 W 91/15

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