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Verbindliche Vertragsfrist i.S.d. § 5 Abs. 1 VOB/B

Öffentliche Hand
Verbindliche Vertragsfrist i.S.d. § 5 Abs. 1 VOB/B

Nach § 5 Abs. 1 VOB/B ist die Ausführung der geschuldeten Leistung seitens des Auftragnehmers nach den verbindlichen Fristen (Vertragsfristen) zu beginnen. Vertragsfristen müssen ausdrücklich im Vertrag vereinbart sein. Ist für den Beginn der Ausführung keine Frist vereinbart, hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer auf Verlangen Auskunft über den voraussichtlichen Beginn zu erteilen. Der Auftragnehmer hat dann innerhalb von 12 Werktagen nach Aufforderung mit seiner Leistung zu beginnen, § 5 Abs. 2 VOB/B.

Sachverhalt

Einer Entscheidung des OLG Hamburg lag Anfang 2023 nun folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Bodenbelagsarbeiten. Neben der Geltung der VOB/B, sah der Vertrag einen Leistungsbeginn für „voraussichtlich 1. April 2020“ vor.

Mit E-Mail vom 9. April 2020 rief die Beklagte die geschuldeten Leistungen bei der Klägerin ab. Diese erklärte 11 Tage später, dass ein Arbeitsbeginn nicht möglich sei, sodass die Beklagte die Klägerin mit E-Mail vom selben Tag erneut zur Leistungserbringung aufforderte. Am 27. April setzte die Beklagte der Klägerin eine Nachfrist zum Beginn der Arbeiten bis zum 29. April. Nach Ablauf dieser Nachfrist erklärte ein Vertreter der Klägerin, dass mit den Leistungen Anfang Mai begonnen werden soll. Nach zweifacher Nachfristsetzung seitens der Beklagten Anfang Mai, letztmalig am 5. Mai für den nächsten Tag, erschien am 6. Mai ein Bauarbeiter der Klägerin auf der Baustelle.

Am 7. Mai kündigte die Beklagte den Vertrag aus wichtigem Grund wegen der nicht erfolgten Leistungsaufnahme. Die Parteien streiten u.a. um die Wirksamkeit der Kündigung.

Die Entscheidung

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Kündigung der Beklagten berechtigt war.

Die Klägerin hat den Beginn der Leistungsausführung verzögert. Zwar stellt die Formulierung „voraussichtlich 1. April 2020“ keine Vertragsfrist i.S.d. § 5 Abs. 1 VOB/B dar. Allerdings hat die Beklagte die Leistungen bei der Klägerin am 9. April gemäß § 5 Abs. 2 VOB/B abgerufen. Die Klägerin wäre also verpflichtet gewesen, spätesten 12 Werktage später mit ihrer Leistung zu beginnen, mithin spätestens am 24. April. Der Auftragnehmer muss zwar erst mit seiner Leistung beginnen, wenn sämtliche erforderlichen Vorleistungen abgeschlossen sind. Hier hat die Klägerin aber schon nicht schlüssig dargelegt, dass der Arbeitsbeginn durch Umstände aus der Sphäre der Beklagten behindert gewesen sei.

Für eine wirksame Kündigung hat die Beklagte der Klägerin auch eine angemessene Nachfrist mit einer Kündigungsandrohung gesetzt. Laut dem OLG kann die Nachfrist sehr knapp bemessen werden, da nur der Beginn der Arbeiten auf der Baustelle in Rede steht. Zwar müssen bei der Berechnung dieser Nachfrist auch die erforderlichen Arbeitsvorbereitungen des Auftragnehmers einkalkuliert werden. Der Auftragnehmer muss eine konkrete Chance zur Vertragserfüllung bekommen. Da allerdings im Regelfall nach Ablauf der Vertragsfrist davon auszugehen ist, dass der Auftragnehmer bereits zuvor mit den Arbeitsvorbereitungen begonnen hat, ist für die Bemessung der Frist nicht die gesamte übliche Zeit für die Arbeitsvorbereitung in Ansatz zu bringen.

Schließlich hat die Klägerin den Beginn der Ausführung hier ergebnislos verstreichen lassen. Wann mit der Leistung begonnen wurde, ist anhand des konkreten Einzelfalls zu entscheiden. Sind Bauleistungen geschuldet, dürfte jedenfalls die tatsächliche Arbeitsaufnahme der Leistungsbeginn sein. Hier haben die Parteien in einem Verhandlungsprotokoll, welches Vertragsbestandteil geworden ist, vereinbart, dass die Klägerin die Baustelle durchgängig mit vier bis zehn Arbeitskräften besetzten muss. Das Erscheinen lediglich eines Bauarbeiters reichte folglich nicht aus, um den vertraglichen Anforderungen zu genügen.

Fazit und Praxistipp

Will der Auftraggeber, dass sein Auftragnehmer an einem bestimmten Tag mit den Bauarbeiten beginnt und will er vor allem entsprechende Rechtsfolgen aus einem verzögerten Baubeginn ableiten können, muss der Auftraggeber ein explizites Datum im Vertrag nennen und dieses im besten Fall auch als Vertragsfrist i.S.d. § 5 Abs. 1 VOB/B kennzeichnen.

Die tatsächliche Arbeitsaufnahme reicht regelmäßig für den Baubeginn aus. Hat sich der Auftragnehmer aber vertraglich verpflichtet, stets eine gewisse Anzahl an Mitarbeitern auf der Baustelle zur Verfügung zu stellen, dann muss er dies auch ab Baubeginn tun.

Maßgebliche Entscheidung: OLG Hamburg, Urteil vom 23.02.2023 – 4 U 54/22

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