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Stärkung des Schiedsstandorts Deutschland

Fachbeiträge
Stärkung des Schiedsstandorts Deutschland

Der Gesetzgeber will das deutsche Schiedsverfahrensrecht „an die Bedürfnisse der heutigen Zeit anpassen, um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen und die Attraktivität Deutschlands als Schiedsstandort weiter zu stärken“. Dazu hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 18. April 2023 ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts veröffentlicht.

 

Längst überfällige Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts

Das deutsche Schiedsverfahrensrecht ist zwar international anerkannt, die letzte umfassende Reform liegt aber rund 25 Jahre zurück. Als Vorbild diente damals das Modellgesetz der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (sog. UNCITRAL-Modellgesetz). Dieses Modellgesetz wurde jedoch bereits im Jahr 2006 überarbeitet. Außerdem hat die Digitalisierung längst Einzug in nationale und internationale Schiedsverfahren genommen. Viele Nationen haben ihr Schiedsverfahrensrecht bereits angepasst, ebenso die meisten Schiedsinstitutionen ihre Schiedsordnungen.

 

Die zwölf Eckpunkte des BMJ auf einen Blick

  1. Abschluss formfreier Schiedsvereinbarungen: Im Wirtschaftsverkehr sollen Schiedsvereinbarungen zukünftig formfrei, insbesondere also auch mündlich, geschlossen werden können. Schiedsvereinbarungen, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, sollen aber weiterhin formbedürftig sein.
  2. Regelungen zur Bestellung des Schiedsgerichts in Mehrparteienverfahren: An vielen Schiedsverfahren sind mehr als zwei Parteien beteiligt (sog. Mehrparteienverfahren). In solchen Fällen stellt die Benennung der Schiedsrichter eine besondere Herausforderung dar, weshalb hierfür dispositive gesetzliche Regelungen geschaffen werden sollen.
  3. Gerichtliche Aufhebung negativer schiedsgerichtlicher Zuständigkeitsentscheidungen: Hält sich ein Schiedsgericht für zuständig, so kann diese Entscheidung vor den staatlichen Gerichten angegriffen werden. Negative Zuständigkeitsentscheidungen können derzeit nicht angegriffen werden. Zukünftig soll aber auch das möglich sein.
  4. Mündliche Verhandlung per Videokonferenz: Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, sollen mündliche Verhandlungen vor Schiedsgerichten zukünftig per Videokonferenz durchgeführt werden können. Zudem sollen per Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlungen aufgezeichnet werden können.
  5. Veröffentlichung von Schiedssprüchen: Schiedssprüche sollen veröffentlicht werden können, wenn die Parteien damit einverstanden sind.
  6. Vorlage englischsprachiger Dokumente vor ordentlichen Gerichten: In Verfahren vor ordentlichen Gerichten nach dem 10. Buch der Zivilprozessordnung, insbesondere bei der Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung von Schiedssprüchen, sollen zukünftig englischsprachige Dokumente vorgelegt werden können.

  7. Zuständigkeit der Commercial Courts für Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren und Verhandlung auf Englisch: Bundesländer, die bereits über sogenannte Commercial Courts verfügen, sollen die Möglichkeit erhalten, diese besonderen Spruchkörper der Oberlandesgerichte auch ohne ausdrückliche Parteivereinbarung jedenfalls für Anträge auf Vollstreckbarerklärung oder auf Aufhebung von Schiedssprüchen für zuständig zu erklären. Die Verfahren vor den Commercial Courts sollen zudem mit Einverständnis der Parteien in englischer Sprache geführt werden können.

  8. Restitutionsklage gegen Schiedssprüche: Unter engen Voraussetzungen können Urteile staatlicher Gerichte mit einer Restitutionsklage angegriffen werden, etwa wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war. Zukünftig soll dieser Rechtsbehelf auch bei Schiedssprüchen möglich sein.

  9. Vollziehung einstweiliger Maßnahmen ausländischer Schiedsgerichte: Zukünftig sollen einstweilige Maßnahmen ausländischer Schiedsgerichte von staatlichen Gerichten für vollziehbar erklärt werden können.

  10. Rechtskräftige Entscheidung über die Schiedsvereinbarung nach § 1032 Abs. 2 ZPO: Entscheidet ein staatliches Gericht über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens, so soll sich die Rechtskraft dieser Entscheidung zukünftig auch auf das Bestehen und die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung erstrecken.

  11. Zurückverweisung nach erfolgloser Vollstreckbarerklärung: Es soll klargestellt werden, dass in denjenigen Fällen, in denen ein staatliches Gericht einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs unter Aufhebung desselben ablehnt, das Gericht die Sache in geeigneten Fällen auf Antrag einer Partei an das Schiedsgericht zurückverweisen kann und die Schiedsvereinbarung hinsichtlich des Streitgegenstandes wiederauflebt.

  12. Anordnungsbefugnis nach § 1063 Abs. 3 ZPO nur in dringenden Fällen: Nach § 1063 Abs. 3 S. 1 ZPO kann der Vorsitzende des Zivilsenats ohne vorherige Anhörung des Gegners anordnen, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung über den Antrag die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch betreiben oder die vorläufige oder sichernde Maßnahme des Schiedsgerichts nach § 1041 ZPO vollziehen darf. Zukünftig soll die anhörungslose Anordnung nur in dringenden Fällen möglich sein.


Stellungnahme

Die Eckpunkte des BMJ zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts sind grundsätzlich begrüßenswert und notwendig, um das Schiedsverfahrensrecht zu modernisieren und den Schiedsstandort Deutschland zu stärken. So sieht es auch die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS), die zudem ergänzende Reformvorschläge macht.

Längst überfällig ist beispielsweise die Ermöglichung formfreier – insbesondere mündlicher – Schiedsvereinbarungen im Wirtschaftsverkehr, wie sie das UNICTRAL-Modellgesetz bereits seit seiner Überarbeitung im Jahr 2006 vorsieht. Auch gesetzliche Regelungen zur Bestellung des Schiedsgerichts in Mehrparteienverfahren sind aufgrund der zunehmenden Anzahl dieser Verfahren unbedingt erforderlich. Insbesondere die Vorschläge zur Durchführung von mündlichen Verhandlungen per Videokonferenz, zur Vorlage englischsprachiger Dokumente vor staatlichen Gerichten und zur Zuständigkeit der Commercial Courts sind begrüßenswert. Ohne sie wäre der Schiedsstandort Deutschland vor dem Hintergrund der weiterhin zunehmenden Digitalisierung und Internationalisierung zukünftig nicht mehr konkurrenzfähig.

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