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Insolvenzrechtliche Überschuldung – SanInsKG verfehlt sein Ziel
Der Gesetzgeber befürchtet aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine Zunahme der Unternehmensinsolvenzen. Eine befristete Änderung des Insolvenzrechts soll Unternehmen in finanzieller Schieflage schützen. Helfen soll dabei eine abgemilderte insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung. Der Versuch der Bundesregierung ist zwar gut gemeint, wird sich jedoch in der Praxis nicht spürbar auswirken.
Änderungen durch das SansInsKG in Kürze
Das „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (SanInsKG)“ trat am 9. November 2022 an die Stelle des bisherigen Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes. Der Zeitraum für eine positive Fortbestehensprognose verkürzt sich gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 von zwölf auf vier Monate. Diese vier Monate müssen Kapitalgesellschaften bei der insolvenzrechtlich gebotenen Überprüfung, ob eine Überschuldung vorliegt, heranziehen. Dies gilt auch dann, wenn die Überschuldungssituation bereits eingetreten, die Höchstfrist bis zur Insolvenzantragstellung jedoch noch nicht abgelaufen ist. Diese Höchsfrist verlängert sich nach § 15a InsO von sechs auf acht Wochen. Schließlich soll auch bei Stellung eines Insolvenzantrags in Eigenverwaltung der nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 beizufügende Finanzplan über die Durchfinanzierung des Unternehmens nicht mehr auf sechs, sondern lediglich auf vier Monate ausgerichtet sein.
Hält das SansInsKG was es verspricht?
Das Gesetzgebungsvorhaben fällt in eine Zeit immer noch historisch niedriger Insolvenzverfahren. So ist seit dem Höchststand im Jahr 2009 die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland von über 24.000 auf 9.900 in 2021 gesunken. Auch bislang ist kein signifikanter Anstieg an Insolvenzverfahren zu verzeichnen. Die Zahlen bis einschließlich August 2022 lagen auf Monatsebene immer noch deutlich unter den Zahlen für 2020 und teilweise auch unter denen aus 2021. Doch die Politik fürchtet nach liquiditätszehrenden Pandemiejahren und weiteren Belastungen durch gestörte Lieferketten, massive Energiepreisanstiege, die Erhöhung des Mindestlohns und erforderliche Anpassungen an die Folgen des Klimawandels eine herannahende „Insolvenzwelle“. Die wesentliche insolvenzrechtliche Maßnahme um diesem Szenario entgegenzuwirken ist für den Gesetzgeber der verkürzte Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung. Begründet wird dies unter anderem damit, dass in der aktuell wirtschaftlich sehr dynamischen Situation eine Prognose über einen Zeitraum von zwölf Monaten hinweg nicht mehr belastbar erstellt werden könne.
Mag dies auch zutreffen, so geht die Maßnahme jedoch an der Sache vorbei und wird für Unternehmen in Deutschland keine spürbare Entlastung mit sich bringen. Dies liegt vor allem daran, dass auf den Überschuldungstatbestand lediglich 2-3% der eröffneten Insolvenzverfahren in Deutschland entfallen. Die meisten Insolvenzverfahren werden wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit beantragt und eröffnet. Hier ändert die Reform nichts. Auch der verkürzte Zeitraum der Fortbestehensprognose bietet keine große Erleichterung. Denn für Geschäftsleiter war es bislang insbesondere herausfordernd, eine Durchfinanzierung für die weiteren (vier) Monate darzustellen. Die Folgemonate ließen sich aufgrund des zwingend erweiterten Prognosespielraums leichter modellieren.
Sollte auf die deutsche Wirtschaft, die mit Stand Mitte Oktober laut tagesschau.de immerhin noch ein geringes Wachstum für 2022 von 1,1 - 2,5% erwartet, tatsächlich eine Insolvenzwelle zurollen, sind die Änderungen beim Verschuldungsbegriff eher nicht als Wellenbrecher geeignet.