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Reaktionsmöglichkeiten der Kreditinstitute auf coronabedingte Krisenfälle

Fachbeiträge
Reaktionsmöglichkeiten der Kreditinstitute auf coronabedingte Krisenfälle

Gesetzgeber und Aufsicht helfen

Aufgrund des massiven wirtschaftlichen Einbruchs infolge der Corona-Pandemie müssen auch zahlreiche vor der Krise hochprofitable und finanzstarke Unternehmen mit erheblichen Umsatzeinbrüchen kämpfen. Gerade die fast schon sprichwörtliche Exportstärke vieler deutscher Unternehmen geht mit dem von der deutschen Politik nicht steuerbaren Risiko von Umsatzeinbrüchen an ausländischen Märkten einher. Im Unternehmenskundenbereich der Banken können sich diese Umstände auf die Fähigkeit der Kreditnehmer, ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen, auswirken bzw. den Bedarf nach erheblicher zusätzlicher Liquidität auslösen. Auch im Privatkundenbereich sind viele Verbraucher von Kurzarbeit betroffen und werden die Raten für ihre Immobilienfinanzierung oder Konsumentenkredite nicht bedienen können. Für die finanzierenden Banken stellt sich daher die Frage, mit welchen Instrumentarien sie im aktuellen Umfeld akkomodierend reagieren können.

Verzicht auf Kündigungsrechte

In einer ersten Phase von spürbaren, aber noch nicht bedrohlichen Umsatzrückgängen zeichnet sich für die Bank und den Kreditnehmer häufig ab, dass kreditvertraglich vereinbarte Finanzkennzahlen (beispielsweise der Verschuldungsgrad aufgrund eines sinkenden EBITDA) künftig nicht mehr eingehalten werden können, was wiederum regelmäßig einen Kündigungsgrund unter dem Kreditvertrag auslöst. Der Einbruch auf der Einnahmenseite und die zunehmend dahinschmelzenden Liquiditätspuffer lassen erwarten, dass vermehrt Finanzkennzahlen nicht eingehalten werden können. Ist die Überlebens- und Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens auf Basis der angepassten Planung nicht gefährdet, kann das Institut für einen definierten und überschaubaren Zeitraum auf Antrag des Kunden auf die Einhaltung einer oder mehrerer Kennzahlen und damit verbundene Kündigungsrechte verzichten.

Wirkt sich die Corona-Krise auf die Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens dagegen so negativ aus, dass die Kapitaldienstfähigkeit gefährdet ist, löst dies in der Regel einen Material Adverse Change (MAC) oder eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse nach den AGBs oder gemäß § 490 Abs. 1 BGB aus. Auch insoweit bietet sich ein Verzicht auf den Kündigungsgrund an, wenn die wirtschaftliche Schieflage voraussichtlich nur vorübergehender Natur ist.

Gerade die aktuelle Situation erfordert einen möglichst frühzeitigen Austausch zwischen Bank und Kunde, um Krisenindikatoren erkennen und rechtzeitig reagieren zu können.

Liquiditätsstütze durch Tilgungsaussetzungen

Falls die zur Verfügung stehenden Kreditmittel den Liquiditätsbedarf infolge der Krise voraussichtlich nicht decken werden, besteht insbesondere bei Ratentilgungskrediten die Möglichkeit einer Tilgungsaussetzung. Einer solchen können Kreditinstitute auf entsprechenden Antrag des Unternehmens für einen im Einzelfall zu definierenden Zeitraum zustimmen, ohne dass hierfür neue Kreditmittel ausgereicht werden müssen.

Die BaFin hat klargestellt, dass, wenn eine Verbindlichkeit einzelfallbezogen, d.h. nicht im Rahmen eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums, gestundet wird, aber die gestundeten Beträge zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen verzinslich sind, dies für sich genommen nicht bewirkt, dass der Schuldner als ausgefallen gilt. Auch die MaRisk stehen einer solchen pauschalen Ratenstundung nicht grundsätzlich entgegen. Die BaFin hat vielmehr klargestellt, dass bei der Beurteilung der branchenüblichen Sorgfaltspflichten im Fall einer solch singulären Krise gewiss andere Maßstäbe anzulegen seien als in Normalzeiten und dass dies auch bei späteren Prüfungen berücksichtigt werde.

Gewährung von staatlichen Hilfskrediten

Benötigt ein Unternehmen zusätzliches Kreditvolumen, werden solche zusätzlichen Kreditmittel in der Regel bei den finanzierenden Bestandsbanken beantragt. Durch die neuen Corona-Hilfsprogramme der KfW, insbesondere den KfW-Unternehmerkredit, können Hausbanken von einer Risikoübernahme der KfW in Höhe von bis zu 90 % des Risikos profitieren, beim KfW-Schnellkredit sogar 100 %. Die Programme können von Unternehmen in Anspruch genommen werden, die bedingt durch die Corona-Krise nun Finanzierungsprobleme haben und bei denen es sich zum 31. Dezember 2019 nicht um ein Unternehmen in Schwierigkeiten gemäß dem EU-Beihilfenrecht handelt. Laut der KfW muss das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt außerdem geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufgewiesen haben: Es dürfen weder ungeregelte Zahlungsrückstände von mehr als 30 Tagen noch Stundungsvereinbarungen oder Covenantbrüche, die mit einem Verlust der Kreditwürdigkeit vergleichbar sind, bestanden haben. Über die KfW-Mittel dürfen Betriebsmittel, Investitionen und Akquisitionen finanziert werden. Umschuldungen, Anschluss- und Nachfinanzierungen über die KfW-Programme sind dagegen ausgeschlossen. Grundsätzlich ist der Finanzierungszweck auf die deutschen Tochtergesellschaften beschränkt.

Für die kreditgewährende Bank hat die Ausreichung von zusätzlichen Kreditmitteln unter den Corona-Hilfsprogrammen der KfW den Vorteil, dass die BaFin akzeptiert, dass die Bank in dem Umfang der Haftungsfreistellung der KfW auf eine Unterlegung mit Eigenmitteln und auf eine Anrechnung auf die Großkreditobergrenzen verzichtet.

Übergabe von Kreditengagements in die Intensivbetreuung

Da die Auswirkungen der Corona-Krise gesamtwirtschaftlicher Natur sind, würde die Anwendung der hausinternen Kriterien zur bankinternen Übergabe von Kreditengagements in die Intensivbetreuung zu einem massiven Anstieg der Betreuungsfälle und einer Überlastung der Intensive Care-Abteilungen führen. Die BaFin schlägt deshalb vor, dass die coronabedingten Krisenfälle pauschal der Intensivbetreuung zugeordnet werden. Dabei können aber die bisherigen Zuständigkeiten und Kreditprozesse aus der Normalbetreuung beibehalten werden. Die Mitarbeiter der Normalbetreuung müssen ein Engagement dabei enger begleiten und sollten bei Bedarf auf das Know-how der Intensivbetreuung zurückgreifen. Zeigt sich, dass ein Engagement nachhaltig gestört ist, ist letztlich die Übernahme durch die Intensivbetreuung oder Sanierung/Abwicklung geboten.

COVInsAG und Aufsicht wollen Kreditvergabe erleichtern

Mit Kreditentscheidungen dürfen Banken keinen Beitrag zu einer Insolvenzverschleppung leisten. Der Bundestag hat mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) die Insolvenzantragspflicht bis 30. September 2020 ausgesetzt, falls die Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht. Um Kreditinstituten zu helfen, wurde zusätzlich geregelt, dass diese nicht zu einer Insolvenzverschleppung beitragen, wenn für das Unternehmen, an das sie Kredite gewähren, die Antragspflicht ausgesetzt ist. Zur Vermeidung eigener Risiken sollten Banken deshalb prüfen, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung bei ihrem Kunden erfüllt sind (i.E. Artikel COVInsAG).

Das COVInsAG wird von zusätzlichen Maßnahmen der Bankenaufsicht flankiert. Die Europäische Bankenaufsicht, die BaFin und der Baseler Ausschuss haben übereinstimmend entschieden, dass die für Krisenzeiten gedachten Kapitalpuffer ausgenutzt und die Kapitalunterlegung vorübergehend herabgesetzt werden dürfen. Damit soll einer Kreditklemme entgegenwirkt werden. Ob und inwieweit die Banken hiervon Gebrauch machen, bleibt deren geschäftspolitische Entscheidung.

Moratorium bei Verbraucherdarlehen

Für Verbraucherdarlehen, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, schafft das Corona-Abmilderungsgesetz ein Moratorium. Danach sind die Ansprüche der Bank gegen Kunden, die aufgrund von Einnahmeausfällen infolge der COVID-19-Pandemie im Zeitraum zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällige Zins- oder Tilgungsleistungen nicht erbringen oder das Darlehen nicht zurückzahlen können, von Gesetzes wegen jeweils für die Dauer von drei Monaten gestundet. Der Kunde muss die Voraussetzungen des Moratoriums nachweisen. Der Stundungszeitraum gilt jeweils für die einzelne Forderung und führt nicht zu einer Stundung des gesamten Forderungsbestands bis 30. September 2020. Umstritten ist, ob der Kunde für den Stundungszeitraum weiterhin den Darlehenszins bezahlen muss. Da das Gesetz keinen Verzicht auf den Vertragszins anordnet und der Kunde weiterhin das Kapitalnutzungsrecht hat, spricht nichts dafür, dass mit der Stundung ein Verzicht auf den Darlehenszins verbunden sein soll.

Bis zum Ablauf der Stundung darf die Bank den Darlehensvertrag weder wegen Zahlungsverzugs noch einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit kündigen. Außerdem muss sie dem Kunden ein Beratungsgespräch anbieten, um über eine einvernehmliche Regelung und Unterstützungsmöglichkeiten zu sprechen. Kommt es zu keiner einvernehmlichen Regelung, verlängert sich die Vertragslaufzeit samt Fälligkeit aller Ansprüche um weitere drei Monate. Die Bank muss dem Kunden einen geänderten Vertrag mit den sich aus dem Moratorium ergebenden Anpassungen übersenden. Zum Teil wird vertreten, dass sich die Bank sogar schadenersatzpflichtig machen kann, wenn sie das Beratungsgespräch unterlässt und dem Verbraucher deswegen ein Schaden entsteht.

Das Moratorium gilt nicht, wenn dies für den Darlehensgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist. Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn ein Kunde schwerwiegende oder andauernde Pflichtverletzungen begeht, beispielsweise betrügerisch handelt, Falschangaben macht oder Sicherheiten vertragswidrig veräußert. Unabhängig von dem Moratorium kann der Kunde freiwillig Zahlungen leisten und können Bank und Kunde einzelvertragliche Regelungen treffen, soweit diese nicht zu Lasten des Verbrauchers von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen.

FAZIT

Banken haben ein breites Instrumentarium, um Unternehmen in der aktuellen Situation zu helfen. Dabei müssen die Institute im eigenen Interesse prüfen, wie sich die Corona-Krise auf das Unternehmen wirtschaftlich auswirkt und ob es unter die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das COVInsAG fällt. Zusätzlich profitieren die Banken von gewissen Lockerungen der Aufsicht.

Aufgrund des Moratoriums bei Verbraucherdarlehen wird voraussichtlich ein erheblicher Zusatzaufwand auf die Banken zukommen. Eine Rechtfertigung für einen Verzicht auf den Darlehenszins während des Stundungszeitraums gibt es nicht. Nach Möglichkeit sollten die Banken versuchen, mit den Kunden einvernehmliche Lösungen zu finden.

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