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Preisexplosion bei Baumaterialien

Fachbeiträge
Preisexplosion bei Baumaterialien

Seit Beginn dieses Jahres sind die Preise für Baumaterialien exorbitant gestiegen. Die Bauindustrie hat mit einer Materialknappheit aufgrund von Produktions- und Lieferreduktionen infolge der Corona-Pandemie zu kämpfen. Hinzu kommen Waldbrände in den USA und Kanada sowie die Auswirkungen der Flutkatastrophe in Teilen Deutschlands. Die Verteuerung betrifft dabei nicht nur einzelne, sondern eine Vielzahl von Baumaterialien, wie z. B. Holz, Stahl, Kunststoffe oder auch Dämmmaterial. Aufgrund der umfassenden Verteuerung ist es mit einem bloßen Austausch einzelner Baumaterialien nicht getan.

Wie sich die Materialpreise weiterentwickeln werden, ist derzeit noch offen. Für einzelne Materialien, wie z. B. Holz, sind die Materialpreise bereits rückläufig, wobei auch hier das Vorjahresniveau bei Weitem noch nicht erreicht ist.

Diese Situation führt dazu, dass Bauunternehmen derzeit versuchen, diese Materialpreissteigerungen ihrer Lieferanten oder auch Nachunternehmer an ihre jeweiligen Auftraggeber weiterzugeben. Bei bereits bestehenden Vertragsverhältnissen (sog. „Altverträge“) werden Auftraggeber mit entsprechenden Nachträgen konfrontiert. Im Rahmen von Vertragsverhandlungen über neu abzuschließende Bauverträge (sog. „Neuverträge“) werden derzeit seitens der Auftragnehmer standardmäßig Preisgleitklauseln gefordert.

1. „Altverträge“

Ob Auftragnehmer bei bereits bestehenden Verträgen Materialpreissteigerungen an ihren jeweiligen Auftraggeber durchstellen können, hängt zunächst von der konkreten Vertragsregelung ab. Da mit derartigen Preissteigerungen bislang so nicht zu rechnen war, enthalten Altverträge in der Regel keine Preisgleitklauseln. Ohne Änderung des Leistungsumfangs ist der vereinbarte Preis daher verbindlich. Es gilt sowohl für Einheits- als auch für Pauschalpreise der Grundsatz: Festpreis bleibt Festpreis. Eine Änderung der Preisermittlungsgrundlagen nach Vertragsabschluss fällt somit grundsätzlich in die Risikosphäre des Auftragnehmers. Dieses Risiko kann der Auftragnehmer durch Preisvorbehalte begrenzen. Beim Abschluss von Nachträgen ist hier derzeit größte Vorsicht geboten, da Auftragnehmer aktuell häufig versuchen, solche Preisvorbehalte in ihren Nachtragsangeboten in das Vertragsverhältnis einzuführen.

Ohne eine entsprechende vertragliche Regelung können Auftragnehmer eine Preisanpassung nur nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) verlangen. Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, sind die Hürden entsprechend hoch. Maßgeblich ist auch hier der jeweilige Einzelfall. Für die aktuelle Situation fehlt es bislang an obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidungen.

Ein Vertragsanpassungsverlangen setzt voraus, dass sich die Änderung auf solche Kalkulationselemente bezieht, die nach den Vorstellungen beider Parteien oder jedenfalls erkennbar einer Partei zur Geschäftsgrundlage gemacht worden sind. Hieran kann man bei Verträgen, die lange vor Beginn dieses Jahres abgeschlossen worden sind, zweifeln. Zudem darf es sich nicht um ein Risiko handeln, das nach dem Vertrag eine Partei übernommen hat. Bei der Bewertung, ob eine Vertragsanpassung verlangen werden kann, ist der gesamte Vertrag zu betrachten. Eine derart schwerwiegende und nicht mehr zumutbare Belastung für den Auftragnehmer kann z. B. ausscheiden, wenn die von der Verteuerung betroffenen Baumaterialien nur einen geringen Anteil am Gesamtvolumen ausmachen.

2. „Neuverträge“

Im Rahmen von Vertragsverhandlungen fordern Auftragnehmer derzeit standardmäßig die Vereinbarung einer Preisgleitklausel. Auftraggeber sind hierzu nicht verpflichtet. Auch im Rahmen von Vergabeverfahren besteht grundsätzlich ein Ermessenspielraum des Auftraggebers, § 9d (EU) VOB/A.

Ob man dem Wunsch des potentiellen Auftragnehmers nachkommt, ist einzelfallabhängig. So kann z. B. eine relative kurze Bauzeit ein Argument gegen eine Preisgleitklausel sein.

Wird eine Preisgleitklausel vereinbart, sind die Anpassungsparameter genau festzulegen. Bei der genauen Ausgestaltung sind die Parteien frei. In der Praxis weit verbreitet sind sog. Stoffpreisgleitklauseln, bei denen die Parteien konkret bestimmen, für welche Baumaterialien die Klausel greift. Für die Berechnung bietet es sich an, z. B. auf das VHB Bund 2017 Blatt 225 abzustellen. Denkbar ist auch eine Indexierung auf Basis eines genau festgelegten Indizes des Statistischen Bundesamtes. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Indexierung dann den Gesamtpreis erfasst und nicht nur die konkreten Baumaterialien. Darüber hinaus können auch kombinierte Regelung vereinbart werden, wonach z. B. der Auftragnehmer bis zu einer bestimmten Schwelle die Verteuerung übernimmt und erst bei Überschreiten dieses Grenzwertes die Preisgleitklausel gilt. Um auch das Interesse des Auftraggebers abzubilden, sollten Preisgleitklauseln nicht nur für den Fall einer Preiserhöhung, sondern auch für den Fall einer Verringerung vereinbart werden.

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