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Nachhaltige Beschaffung – Gestaltungsspielräume nutzen statt Stolpersteine fürchten

Öffentliche Hand
Nachhaltige Beschaffung – Gestaltungsspielräume nutzen statt Stolpersteine fürchten

Die strategische Berücksichtigung der an Bedeutung gewinnenden Nachhaltigkeitsthematik kann erhebliche Steuerungswirkungen entfalten. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf das jährliche Auftragsvolumen öffentlicher Beschaffungen in Deutschland in dreistelliger Milliardenhöhe. Die Bedeutungszunahme von Nachhaltigkeitsaspekten wird häufig auch mit einer Komplexitätszunahme verbunden. Bei zielgerichteter Auseinandersetzung mit der Thematik bekommen Vergabestellen jedoch ein probates Gestaltungsmittel an die Hand, nicht zuletzt zur Verfolgung individueller Zielsetzungen, und müssen keine Stolpersteine fürchten.

Dynamische Entwicklungen im Blick behalten

Vergabestellen sind gut beraten, aktuelle Entwicklungen rund um das Thema Nachhaltigkeit im Blick zu behalten. Zu nennen ist etwa der unlängst eingeführte Datenstandard der eForms. Nachhaltigkeitsaspekte erfahren demnach schon formell eine stärkere Betonung. So werden innovations-, sozial- oder umweltbezogene Aspekte als „strategische Aspekte der Beschaffung“ eingeordnet. Die betreffenden Datenfelder sind in der Auftragsbekanntmachung verpflichtend (vgl. § 10a Abs. 4 VgV).

Während es in Deutschland bereits seit einiger Zeit das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) mit eigenem vergaberechtlichem Ausschlussgrund (vgl. § 22 LkSG) gibt, ist aktuell zwar ungewiss, ob und mit welchem Inhalt eine europäische Lieferkettenrichtlinie verabschiedet wird. Im Falle ihrer Verabschiedung dürfte sie jedoch noch weitreichendere Regelungen als das LkSG enthalten und sich auch auf öffentliche Ausschreibungen auswirken.

Auch im Zuge des geplanten „Vergabetransformationspakets“ der Bundesregierung und des diesbezüglich durchgeführten Konsultationsprozesses mit betroffenen Stakeholdern hat das Thema Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Beschaffungen sollen nicht nur schneller und effizienter werden. Auch sollen insbesondere umwelt- und klimabezogene, soziale und innovative Ziele stärker und verbindlicher berücksichtigt werden. Aktuell dürfte mit einem Gesetzentwurf noch im ersten Quartal 2024 zu rechnen sein.

(Bestehende) Gestaltungsspielräume nutzen

Der Appell, aktuelle Entwicklungen zu beachten, ist nicht zu verwechseln mit der Erwartung, erst angepasste Rechtsvorschriften würden Auftraggebern das Instrumentarium zur Ausgestaltung nachhaltiger Beschaffungen geben. Das bestehende Vergaberecht gewährt weitreichende Spielräume, gerade auch für individuelle Zielsetzungen. Meist dürfte es eher an der konkreten Kenntnis der Möglichkeiten und an einer adäquaten Vergabepraxis denn an hinreichenden Rechtsgrundlagen mangeln.

Bei der Leistungsbeschreibung kann etwa verstärkt das Instrument der funktionalen Leistungsbeschreibung genutzt werden. So können gerade innovative Beschaffungen ergebnisorientiert ausgestaltet und bei hinreichendem Auftragsbezug mit klima- oder umweltbezogenen Aspekten verknüpft werden (vgl. §§ 121 GWB, 31 Abs. 3 VgV). Dies erspart dem Auftraggeber Aufwand, da er Herr über das Beschaffungsziel bleibt, nicht aber den genauen Weg hierfür vorgeben muss und sich der Expertise des Marktes bedienen kann.

Eignungskriterien müssen auch bei nachhaltigen Beschaffungen als das ausgestaltet werden, was sie sind: unternehmensbezogene Kriterien zum Nachweis der Leistungsfähigkeit. Die beispielhaft häufig immer noch anzutreffende Praxis der Bevorzugung regionaler Unternehmen unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit ist vergaberechtlich grundsätzlich unzulässig. Ein Unternehmen ist nicht allein deshalb leistungsfähig und geeignet, weil es (zufällig) seinen Sitz in der Nähe des öffentlichen Auftraggebers hat.

Auch Zuschlagskriterien können unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten verfahrensökonomisch ausgestaltet werden (§§ 127 Abs. 1 S. 4 GWB, 58 Abs. 2 S. 2 VgV). Eher fehleranfällig ist die gern herangezogene CO²-Bilanz als Zuschlagskriterium. Für eine vergaberechtskonforme Ausgestaltung muss letztlich die genaue Methodik zur Ermittlung der CO²-Bilanz vorgegeben werden. Dafür fehlt auf Auftraggeberseite häufig die fachliche Expertise. Oft einfacher gestalten lassen sich konzeptionelle, auf Nachhaltigkeitsaspekte abzielende Zuschlagskriterien, bei denen sich der Auftraggeber bieterseitig Maßnahmen zur CO²-Reduzierung aufzeigen lassen kann.

Auf Ausführungsbedingungen mit nachhaltiger Zielsetzung (vgl. §§ 128 Abs. 2 GWB, 61 VgV) sollte ein Auftraggeber etwa dort verzichten, wo das geltende Recht bereits hinreichende Vorgaben enthält. Im Bereich sozialer Zielsetzungen dürfte das für den Bereich von Tariftreue- und/oder Mindestlohnvorgaben gelten. Individuelle auftraggeberseitige Vorgaben laufen hier Gefahr, in vergaberechtlich unzulässige Vorgaben allgemeiner Unternehmenspolitik abzudriften.

Fazit

Um nachhaltige Beschaffungen strategisch auszurichten, sollte die Auftraggeberseite zur Nutzung der (bereits bestehenden) Gestaltungsmöglichkeiten angeregt werden und sich am Markt verfügbare Innovationen und Know-how zunutze machen. Motivierend wirkt hierbei sicherlich der Umstand, dass die komplexeste Gestaltung mitnichten immer die beste ist.

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