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Mietrecht in Zeiten von Corona
Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Bundesländern „Leitlinien zum Kampf gegen die Corona-Epidemie“ veröffentlicht, die von den Bundesländern umgesetzt werden. Versammlungen und Veranstaltungen mit mehr als 5 Teilnehmern sind bis auf weiteres ebenso untersagt wie der Betrieb von Museen, Theatern, Kinos, Bädern und Saunen, Fitness-Studios, Gaststätten und verschiedenen anderen Einrichtungen (vgl. für Baden-Württemberg §§ 3 und 4 der sogenannten Corona-Verordnung). Auch für Gaststätten ist inzwischen nur noch ein Außer-Haus-Verkauf zulässig. Immer mehr Unternehmen verlegen als Vorsichtsmaßnahme zum Schutz von Mitarbeitern und Kunden ihren Betreib soweit wie möglich ins Homeoffice. Läden, Märkte und Dienstleister zur Grundversorgung bleiben geöffnet. Sonstige Verkaufsstellen des Einzelhandels und Outlet-Center sind hingegen zu schließen. Weitere Einschränkungen sind für die Zukunft möglich.
Auswirkungen von Corona auf Mietverhältnisse über Gewerberaum
Die Einschränkungen durch die Corona-Epidemie haben auch Auswirkungen auf bestehende Mietverhältnisse über Gewerberäume. Mieter müssen ihren Betrieb schließen oder Umsatzeinbrüche hinnehmen, die bei längerer Dauer den Fortbestand ihres Unternehmens gefährden können. Es stellt sich dann unter anderem die Frage, ob mietvertragliche Leistungen – insbesondere die Miete – reduziert oder einbehalten werden können.
Mietverträge werden regelmäßig keine Bestimmungen enthalten, die gerade für eine Situation wie die aktuelle gedacht sind und eindeutige Rechtsfolgen vorgeben. Soweit ein Vertrag im Einzelfall doch entsprechende Regelungen aufweisen sollte, wird insbesondere bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen genau zu prüfen sein, ob diese Vereinbarungen auch wirksam sind.
Allgemeine Risikoverteilung im Mietrecht
Fehlen vertragliche Vereinbarungen und können sich die Vertragsparteien nicht einvernehmlich auf einen Umgang mit den Folgen der aktuellen Situation einigen, müssen die aufkommenden Fragen anhand der allgemeinen Gesetze entschieden werden. Da es eine so flächendeckende und schwerwiegende Einschränkung des öffentlichen Lebens in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nicht gegeben hat, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit abschätzen, wie die Gerichte über diese Fragen entscheiden werden. Es lassen sich aber zumindest Leitlinien für die Behandlung der Folgen der Corona-Epidemie für Mietverhältnisse darstellen.
Im Ausgangspunkt muss ein Vermieter seinem Mieter die Mietsache in einem für den vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand gewähren. Genügt die Mietsache diesen Anforderungen nicht, liegt ein Mangel vor. Der Vermieter hat den Mangel zu beseitigen und der Mieter ist solange zur Mietminderung berechtigt. Umgekehrt darf der Mieter die Miete nicht reduzieren, wenn er aus einem in seiner Person liegenden Grund am Gebrauch der Mietsache gehindert ist, denn das Verwendungsrisiko trägt der Mieter. Auch Erfolg oder Misserfolg seines Betriebs ist grundsätzlich Risiko des Mieters.
Corona ist kein Mangel der Mietsache und begründet keine Unmöglichkeit
Die behördlich angeordneten Nutzungseinschränkungen zur Eindämmung des Corona-virus stellen keinen Mangel der Mietsache dar. Zwar ist es anerkannt, dass zum Beispiel Nutzungsbeschränkungen der Baubehörde wegen mangelndem Brandschutz einen Mangel begründen können. Die Einschränkungen bestimmter Betriebe zum Schutz vor Corona sind aber – ebenso wie die Vorgaben der Regierung zum Verhalten im öffentlichen Raum oder auch striktere Ausgangsbeschränkungen, die in einigen Teilen Deutschlands bereits bestehen – nicht auf die Mieträume bezogen und daher kein Mangel der Mietsache.
Zugleich erscheint es fraglich, ob das vorübergehende Verbot, beispielsweise Kinos oder Fitness-Studios zu betreiben, zu dem vom Mieter zu tragenden Verwendungsrisiko zählt. Diese pauschal und flächendeckend ausgesprochenen Verbote sind nicht auf den einzelnen Mieter bezogen und haben auch nichts mit seiner Unternehmensführung zu tun, sondern treffen jeweils die gesamte Branche.
In der Regel wird auch keine Unmöglichkeit der mietvertraglichen Leistung vorliegen, die die Vertragsparteien von Ansprüchen befreit: Die Gewährung des Mietgebrauchs bleibt möglich, da die Mieträume nicht beeinträchtigt sind. Für die Zahlung der Miete akzeptiert das Gesetz ohnehin keine Unmöglichkeit, auch wenn der Mieter selbst nicht solvent ist.
Anspruch auf Vertragsanpassung
Eine Reduktion oder auch ein gänzlicher Wegfall der Pflicht zur Mietzahlung wird daher, wenn überhaupt, nur nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich sein. Jede Vertragspartei kann die Anpassung eines Vertrags verlangen, wenn sich die als Grundlage des Vertrags vorausgesetzten Umstände so schwerwiegend verändert haben, dass ihr eine unveränderte Fortsetzung nicht zugemutet werden kann. Dies hat die Rechtsprechung beispielsweise bei der Absage von Faschingsveranstaltungen während des Golfkriegs bejaht (OLG Karlsruhe, NJW 1992, 3176). Geschäftsgrundlage wäre dabei die Erwartung, dass das Wirtschaftsleben in Deutschland ohne die jetzt aktuellen Einschränkungen fortgeführt werden kann. Welche Folgen aus dem Wegfall dieser Grundlage zu ziehen sind, muss im Einzelfall entschieden werden. Dabei wird auch eine Rolle spielen, ob die Zumutbarkeitsgrenze für den Mieter im Einzelfall überschritten ist. Da die Folgen von Corona alle treffen und weder Vermieter noch Mieter hierfür verantwortlich sind, könnte dann zum Beispiel eine Reduktion der Miete auf die Hälfte in Betracht kommen.
Sonstige Beeinträchtigungen des Mietverhältnisses durch Corona
Verletzt der Mieter aufgrund einer angeordneten Schließung seines Betriebs, oder weil seine Mitarbeiter krank sind, eine vereinbarte Betriebspflicht, liegt hierin zwar ein Vertragsverstoß. Weil der Mieter hierfür in der Regel nicht verantwortlich sein wird, werden Vertragsstrafen oder Schadenersatzansprüche des Vermieters wegen dieses Verstoßes ebenso ausgeschlossen sein wie ein außerordentliches Kündigungsrecht.
Kann umgekehrt der Vermieter wegen Krankheit seiner Mitarbeiter bestimmte vertraglich vereinbarte Leistungen nicht erbringen – etwa Hausmeisterleistungen, den Betrieb eines gemeinsamen Empfangs oder eines Parkhauses – wird der Mieter die Miete mindern können.
Fazit
Die Corona-Epidemie stellt uns alle vor völlig neue Herausforderungen. Neben den sozialen und privaten Einschränkungen werden auch die Belastungen der Gesamtwirtschaft erheblich sein. Auch vor dem Hintergrund der ungeklärten Rechtsfragen wird es in dieser Ausnahmesituation häufig sinnvoll sein, nicht auf die strikte Durchsetzung vertraglicher Rechte zu beharren, sondern frühzeitig den Kontakt mit dem jeweiligen Vertragspartner zu suchen, um den gemeinsamen Umgang mit den Auswirkungen der Krise zu besprechen. Solidarität und gegenseitige Rücksichtnahme sind gerade jetzt gefragt und können auch Mietverhältnissen über diese schwierige Zeit hinweg helfen. Werden dabei von den Verträgen abweichende Vereinbarungen getroffen, die für eine längere Zeit wirksam bleiben – zum Beispiel Mietreduzierungen oder Stundungsvereinbarungen – ist dabei auch immer die gesetzlich geforderte Schriftform für langfristige Mietverträge zu beachten. Solche Vereinbarungen sind daher in einem förmlichen Nachtrag zum Mietvertrag festzuhalten.
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