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Leichter wird’s nicht – die Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU
Ein Jahr nachdem das Europäische Parlament hierzu aufforderte, unterbreitete die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937). Der deutsche Gesetzgeber nimmt Unternehmen bereits ab dem kommenden Jahr mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in die Pflicht. Müssen sich Unternehmen demnächst nochmals auf neue Regeln einstellen?
Der Richtlinienvorschlag – was steht drin?
Im Verhältnis zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) enthält der Vorschlag der Kommission weitergehende Pflichten zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima; der Anhang der Richtlinie zählt dazu eine ganze Reihe von Schutzgütern auf. Große Unternehmen verpflichtet die Richtlinie außerdem dazu, ihre Unternehmensstrategie derart anzupassen, dass sie – entsprechend dem Abkommen von Paris – das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius berücksichtigt.
Der unmittelbare Geltungsbereich der Richtlinie umfasst deutlich mehr Unternehmen als der des LkSG: Die Richtlinie gilt für alle in der EU gegründeten Unternehmen, die im letzten Geschäftsjahr entweder mehr als 500 Beschäftigte hatten und einen weltweiten Nettoumsatz von über 150 Mio. Euro erzielt haben oder die mehr als 250 Beschäftigte hatten, einen weltweiten Nettoumsatz von über 40 Mio. Euro erzielt haben und davon mindestens 50% in besonders risikobehafteten Sektoren, z.B. Textilien, Landwirtschaft und Lebensmittel sowie Gewinnung mineralischer Ressourcen. Die Richtlinie gilt darüber hinaus auch für Unternehmen aus Drittstaaten, die im vorletzten Geschäftsjahr innerhalb der EU einen Nettoumsatz von mehr als entweder 150 Mio. Euro erzielt haben oder von mehr als 40 Mio. Euro und davon mindestens 50% in einem der genannten besonders risikobehafteten Sektoren.
Unternehmen müssen die Sorgfaltspflichten in alle Bereiche ihrer Unternehmenspolitik einbeziehen und klar definierte Maßnahmen umsetzen, um negative Auswirkungen zu ermitteln, zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen. So soll ein Beschwerdeverfahren ebenso verpflichtend sein wie die Überwachung der umgesetzten Maßnahmen. Außerdem soll die Einhaltung der Sorgfaltspflichten öffentlich kommuniziert werden.
Die Sorgfaltspflichten beziehen sich auf die gesamte Wertschöpfungskette, also auf alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit Produktion und Dienstleistungen. Dazu zählen die Entwicklung, Verwendung und Entsorgung eines Produkts sowie die damit verbundenen Tätigkeiten im Rahmen der vor- und nachgelagerten etablierten Geschäftsbeziehungen. Die Richtlinie dehnt die Sorgfaltspflichten somit auf die nachgelagerte Verwertung und Entsorgung der Produkte aus und sieht damit auch gewisse Pflichten zur Überwachung der Abnehmer der Produkte vor.
In puncto Konsequenzen geht die Richtlinie weiter als das LkSG: Sie sieht eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen – und teilweise der Geschäftsleitung – vor, wenn sie Schäden nicht durch angemessene Maßnahmen vermieden oder behoben haben. Compliance wird dabei belohnt, sprich die Bemühungen des Unternehmens, Schäden zu vermeiden oder zu beheben, sind angemessen zu berücksichtigen. Bei Verstößen sieht die Richtlinie Sanktionen vor.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), die nicht unmittelbar betroffen sind, aber denen Pflichten aus der Richtlinie durch ihre größeren, unmittelbar betroffenen Geschäftspartner auferlegt werden, sollen bei der Umsetzung der Richtlinie geschützt werden. Insbesondere sollen die direkt von der Richtlinie betroffenen Unternehmen die Auswirkungen auf KMUs in ihrer Wertschöpfungskette abschwächen. Konkret müssen Unternehmen ihre kleinen und mittleren Geschäftspartner bei der Umsetzung der Maßnahmen finanziell und operativ unterstützen, die Umsetzung darf insgesamt nur in angemessenem Rahmen auf KMUs abgewälzt werden.
Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten wird durch Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten kontrolliert, die dazu ein unionsweites Netzwerk bilden sollen. Hat ein Mitgliedsstaat bereits strengere Regeln zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima etabliert, sollen diese mit Umsetzung der Richtlinie nicht abgeschwächt werden.
Die Fragenzeichen – welche Punkte sind noch unklar?
Die unionsweite Geltung und die Einbeziehung nichteuropäischer Unternehmen in den Geltungsbereich der Richtlinie stellen für deutsche Unternehmen mehr Fairness im Wettbewerb her. Ob und wie sich dies in der Praxis wird durchsetzen lassen, ist allerdings noch nicht ausgemacht.
Nicht abschließend geklärt ist beispielsweise, inwieweit das angekündigte Netzwerk aus Aufsichtsbehörden tatsächlich gegen nichteuropäische Unternehmen vorgehen kann und wird.
Die Unterstützung von KMUs in der Wertschöpfungskette ist grundsätzlich zu begrüßen. Doch fragt sich, welche finanziellen Hürden die Zusammenarbeit mit KMUs für die direkt von der Richtlinie betroffenen Unternehmen künftig mit sich bringt. Sind diese besonders hoch, mag sich mancher Konzern in Zukunft genauer überlegen, ob und wie er mit KMU zusammenarbeitet.
Dass nur für „etablierte Geschäftsbeziehungen“ die Umsetzung der Sorgfaltspflichten gelten soll, klingt nach einer Erleichterung. Die Einordnung der Geschäftsbeziehung als „etabliert“ wird in der Praxis allerdings regelmäßig schwierig sein. Und wie die Ausweitung der Sorgfaltsverpflichtungen auf die nachgelagerte Verwertung und Entsorgung durch Unternehmen sichergestellt werden kann und soll, ist mit Blick auf immer längere und komplexere Wertschöpfungsketten ebenfalls fraglich.
Der Ausblick – wie geht es weiter?
Der vorliegende Richtlinienvorschlag ist vermutlich noch nicht der letzte Stand. Es ist damit zu rechnen, dass der Vorschlag sich inhaltlich weiterentwickelt, bis die Richtlinie verabschiedet wird. Das lässt hoffen, dass zumindest einige Unklarheiten noch beseitigt werden.
Gleichwohl wird mit Umsetzung der Richtlinie auch auf die bereits vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffenen Unternehmen Mehraufwand zukommen. Dass deutsche Firmen bis dahin schon Erfahrungswerte gesammelt haben werden, erleichtert die Umsetzung der Maßnahmen hoffentlich spürbar. Für sie wird es letztlich darauf ankommen, ob und in welcher Hinsicht der EU-Gesetzgeber über das bereits im LkSG verankerte Schutzniveau hinausgeht. Leichter wird es jedenfalls nicht: Weil keine Senkung des nationalen Schutzniveaus erfolgen soll, wird der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie am Ende nur insofern umsetzen, als sie nicht hinter seinen bisherigen Vorgaben zurückbleibt.