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„Kleiner“ Wettbewerb auch bei Corona-bedingten Dringlichkeitsvergaben
Der Wettbewerbsgrundsatz gebietet, dass Auftraggeber auch bei Dringlichkeitsvergaben so viel Wettbewerb wie möglich schaffen müssen. Die Rechtsprechung verpflichtet Auftraggeber daher bereits seit langem dazu, selbst dann möglichst auch Konkurrenzangebote einzuholen, wenn sie ausnahmsweise auf ein förmliches Vergabeverfahren verzichten dürfen. Dem
OLG Rostock (Beschl. v. 09.12.2020 – 17 Verg 4/20) zufolge gilt das auch für Beschaffungen, die Corona-bedingt dringlich sind.
In der Entscheidung ging es um anlasslose Coronatests in Alten- und Pflegeheimen als Voraussetzung für deren Wiederöffnung. Das Gericht gestand dem Auftraggeber zwar zu, dass er kein reguläres Vergabeverfahren durchführen musste, weil der verbleibende Zeitraum von etwa drei Wochen dafür – selbst bei Ausnutzung aller Fristverkürzungsmöglichkeiten –nicht ausgereicht hätte. Dennoch hätte er mit der Durchführung dieser Tests nicht ein Unternehmen direkt beauftragen dürfen. Vielmehr hätte der Auftraggeber wenigstens einen Wettbewerber zur Abgabe eines Angebots auffordern müssen, der sich bereits zwei Monate vor der Vergabe per E-Mail bei ihm gemeldet und seine Kapazitäten für diese Tests angeboten hatte. Zumindest bei der Bildung von Mengenlosen hätte auch der Konkurrent ein Angebot abgeben können. Der Einwand des Auftraggebers, er habe nicht genügend Personal für die Einholung weiterer Angebote gehabt, war dabei unbeachtlich.
Rechtsfolge der unzulässigen Direktvergabe: der Vertrag war unwirksam.
Im Ergebnis kam der Auftraggeber nur deswegen noch „glimpflich“ davon, weil es sich dem Gericht zufolge um ein Fixgeschäft handelte, das auch schon vollständig abgewickelt worden sei. Ein Anspruch auf erneute, diesmal wettbewerbliche, Vergabe bestehe daher nicht.
Fazit und Praxistipp
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Gerichte eine „echte“ Direktvergabe nur äußerst selten zulassen und auch im Corona-Kontext keine Sonderregeln gelten. Vor allem, wenn Unternehmen bereits im Vorfeld ihr Interesse an einem Auftrag bekundet haben, sollte der Auftraggeber diese auch bei einer Dringlichkeitsvergabe grundsätzlich beteiligen - es sei denn, er kann sie mangels Eignung (auch bei Nachunternehmereinsatz oder als Bietergemeinschaftsmitglied) sicher ausschließen. Auftraggeber sind zudem gut beraten, Direktvergaben aufgrund von Dringlichkeit nur mit möglichst kurzer Laufzeit zu beauftragen.
Maßgebliche Entscheidung: OLG Rostock, Beschl. v. 09.12.2020 - 17 Verg 4/20