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Kein Vertragsschluss bei Vorbehalten gegen geänderten Zuschlag
Es ist der Klassiker: Eine Bauvergabe verzögert sich so, dass schon vor Vertragsschluss die ursprünglich vorgesehenen Ausführungsfristen nicht mehr haltbar sind. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH kann der Auftraggeber drohende Mehrvergütungsansprüche vermeiden, indem er schon im Zuschlagsschreiben neue Ausführungsfristen verbindlich vorgibt. Doch was, wenn der Bieter dieses seinerseits nur zu einer höheren Vergütung annimmt? Auch solch einen Fall hat der BGH nun entschieden.
Sachverhalt
Bei einer verzögerten Bauvergabe im offenen Verfahren teilte der Auftraggeber dem ausgewählten Bieter bereits im Zuschlagsschreiben neue Ausführungsfristen mit. Der Auftraggeber bat in diesem Schreiben um unverzügliche Bestätigung der Termine sowie Annahme des Zuschlags. Wenige Tage später lud die Vergabestelle den Bestbieter unter Bezugnahme auf das Zuschlagsschreiben zur Bauanlaufberatung ein und bat, dabei den Bauzeitenplan basierend auf den neu festgelegten Vertragsfristen zu übergeben. Der Bestbieter erklärte daraufhin, den gewünschten Realisierungszeitraum noch prüfen zu müssen, kündigte aber bereits Mehrkosten infolge zeitlicher Verzögerungen an, die er an dann in der Bauanlaufberatung auch verlangte.
Daraufhin hob die Vergabestelle das Vergabeverfahren auf und beauftragte in einem neuen Vergabeverfahren mit modifizierten Ausführungsfristen ein Konkurrenzunternehmen.
Der war der Meinung, dass mit ihm bereits ein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei und griff dies an. Hilfsweise wollte er die Fortführung des ursprünglichen Vergabeverfahrens oder zumindest Schadensersatz erreichen.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Da der Auftraggeber in seinem Zuschlagsschreiben die neuen Ausführungsfristen nicht nur unverbindlich vorschlagen, sondern vertraglich vereinbaren wollte, lag ein sog. modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB vor. Bei einer derart klaren Sachlage bestand auch kein Raum für eine anderweitige Auslegung, obwohl eine nachträgliche Verhandlung im nicht offenen Verfahren vergaberechtlich unzulässig war. Der BGH betonte aber, dass ein Auftraggeber auch unter Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften einen zivilrechtlich wirksamen Vertrag schließen kann. Dieses neue Angebot hatte der ehemalige Bestbieter wiederum nicht angenommen, sondern seinerseits eine höhere Vergütung beansprucht. Mangels übereinstimmender Willenserklärungen lag damit kein wirksamer Vertragsschluss vor.
Auch einen auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch erkannte der BGH nicht zu, weil sich der Beschaffungsbedarf der neuen Ausschreibung inzwischen wesentlich geändert habe. Ob ein Aufhebungsgrund vorlag, konnte daher dahingestellt bleiben.
Praxistipp
Für Bieter bleibt festzuhalten, dass Vorbehalte in der Zuschlagsbestätigung zwar Mehrkosten vermeiden, sie aber um den gesamten Auftrag bringen können. Auftraggeber sollten im Einzelfall die Risiken und Chancen verschiedener Strategien gegeneinander abwägen. Auf vergaberechtskonforme Weise lassen sich Mehrvergütungsansprüche letztlich nur dadurch vermeiden, dass der Auftraggeber die Leistung nach Rückversetzung oder (als ultima ratio) nach Aufhebung des Verfahrens erneut in den europaweiten Wettbewerb gibt. Vorzugswürdig bleibt natürlich, Verzögerungen von vorn herein zu vermeiden oder aber daran knüpfende Vergütungsrisiken zumindest stark einzugrenzen.
Maßgebliche Entscheidung: BGH, Urt. v. 03.07.2020, Az: VII ZR 144/19