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Karlsruhe und Luxemburg auf einer Linie
EuGH lehnt Widerruf von Anschlusszinsvereinbarungen im Fernabsatz ab
Bereits der BGH hatte eine Pflicht der Bank zur Erteilung einer Widerrufsbelehrung bei Anschlusszinsvereinbarungen in unechten Abschnittsfinanzierungen, die im Wege von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wurden, verneint. Mit der Entscheidung aus Luxemburg sind nun auch letzte Unklarheiten beseitigt.
Kein Widerruf aus Verbraucherkreditrecht
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits im Jahr 2013 entschieden, dass ein Verbraucher eine Prolongationsvereinbarung im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung nicht nach den Vorschriften des Verbraucherkreditrechts widerrufen kann. Kennzeichnend für ein (Verbraucher-)Darlehen ist, dass dem Kunden damit ein Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird.
Bei unechten Abschnittsfinanzierungen wird dem Darlehensnehmer das Kapitalnutzungsrecht bereits von Anfang an langfristig über die Zinsbindungsfrist hinaus eingeräumt. Ändern die Bank und der Kunde während der Darlehenslaufzeit nur die Konditionen, insbesondere den Zinssatz, ist damit aber kein neues Kapitalnutzungsrecht verbunden. Auch der Schutzzweck des Widerrufsrechts, den Verbrauch vor übereilten Entscheidungen zu schützen, erfordert es laut BGH nicht, dass eine Konditionenanpassung widerruflich sein muss. Bei Entscheidungen mit erheblicher wirtschaftlicher Tragweite und Bedeutung, wie dem Abschluss eines Verbraucherdarlehens, soll dem Verbraucher Gelegenheit gegeben werden, das Darlehensangebot nochmals zu überdenken. Ist die Entscheidung für die Darlehensaufnahme bereits gefallen, befindet sich der Verbraucher bei einer Konditionenanpassung aber nicht in einer vergleichbar schutzbedürftigen Lage.
Kein Fernabsatz-Widerruf
Da ein Widerruf nach Verbraucherdarlehensrecht somit versperrt war, versuchten Verbraucheranwälte über die fernabsatzrechtlichen Vorschriften ein Widerrufsrecht für die Kunden zu begründen.
Anders als der Darlehensvertrag selbst werden Anschlusszinsvereinbarungen in der Regel außerhalb der Geschäftsräume der Bank auf dem Postweg abgeschlossen. In der Praxis wurden den entsprechenden Vereinbarungen zum Teil Widerrufsbelehrungen beigelegt, zum Teil nicht. Dies wurde teilweise zum Anlass genommen, die Vereinbarung über den Anschlusszins zu widerrufen, wobei entweder die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung oder das Fehlen einer gesetzlich zwingenden Widerrufsbelehrung geltend gemacht wurde.
Dabei wurde die Anschlusszinsvereinbarung als ein eigener Vertrag über eine Finanzdienstleistung im Sinne des § 312 BGB/§ 312b BGB a.F. qualifiziert, für den eine Widerrufsbelehrung zu erteilen ist, wenn er unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird. Bei Finanzdienstleistungen handelt es sich nach der gesetzlichen Definition um Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.
Nachdem einige Landgerichte zugunsten der Verbraucher ein Widerrufsrecht angenommen hatten, lehnten die meisten Oberlandesgerichte und im Jahr 2019 schließlich auch der BGH ein Widerrufsrecht nach den fernabsatzrechtlichen Vorschriften ab.
Der BGH betrachtet den ursprünglichen Darlehensvertrag und eine sich möglicherweise anschließende Prolongationsvereinbarung als eine Einheit. Dem Kunden stehe daher nur bei Abschluss des Darlehensvertrags ein Widerrufsrecht nach Verbraucherdarlehensrecht zu.
Die offenkundige Einheit von ursprünglichem Darlehensvertrag und Konditionenanpassung hätten das Landgericht München und das Landgericht Kiel bei ihren Vorlagefragen an die EuGH außer Acht gelassen und seien damit bereits im Ausgangspunkt von einer rechtlich unzutreffenden Annahme ausgegangen.
Klarstellung durch den EuGH
Während das Landgericht München seine Vorlagefrage aufgrund einer Einigung der Parteien zurückgezogen hat, hat sich der EuGH nun zu der Vorlagefrage des Landgerichts Kiel geäußert.
Dabei qualifiziert er die Anschlusszinsvereinbarung ähnlich wie der BGH nicht als einen selbstständigen eine „Finanzdienstleistung betreffenden Vertrag“, wenn lediglich der als Gegenleistung für das bereits ausbezahlte Darlehen geschuldete Zins geändert wird. Grundsätzlich sollen von der maßgeblichen Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (Richtlinie 2002/65/EG) die von dem Dienstleister zu erfüllende charakteristische Leistung erfasst werden. Bei einem Verbraucherdarlehen ist das die Gewährung des Darlehens. Dem Verbraucher sind anlässlich dieser Dienstleistung die erforderlichen Informationen zu erteilen und er ist über sein Widerrufsrecht zu belehren. Im Fall einer bloßen Änderung des Zinssatzes wäre eine erneute Information des Verbrauchers über diese Aspekte laut dem EuGH indessen sinnlos. Auch der Verbraucherschutz erfordert es nicht, dass eine bloße Anschlusszinsvereinbarung als eigenständiger Vertrag eingeordnet wird, der widerruflich ist.
FAZIT
Die Luxemburger Richter haben die Rechtsprechung der Mehrzahl der deutschen Gerichte bestätigt, dass Verbrauchern zu einer Anschlusszinsvereinbarung im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung kein Widerrufsrecht zusteht, über welches sie zu belehren sind. Falls die Vereinbarung jedoch auch das Kapitalnutzungsrecht betrifft, indem das Darlehen erhöht wird oder die Laufzeit verlängert wird, besteht ein neues belehrungspflichtiges Geschäft. Ist die Belehrung nicht erfolgt, bezieht sich ein später erfolgter Widerruf nach der Rechtsprechung des BGH aber nur auf den Teil der Vereinbarung, der das Kapitalnutzungsrecht betrifft.