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Kann die Stillhaltefrist nach § 134 Abs. 2 GWB an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag enden? Ja!
In EU-Vergabeverfahren sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, ihre Zuschlagsentscheidung den unterlegenen Bietern vorab mitzuteilen. Nach Versand der Vorabinformationsschreiben wird die sog. Stillhaltefrist gem. § 134 Abs. 2 GWB in Gang gesetzt. Erst nach Ablauf dieser Frist darf der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf das Angebot des Bestbieters erteilen. Ein auch nur einen Tag zu früh erteilter Zuschlag ist gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB von Anfang an unwirksam, sofern dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren positiv festgestellt worden ist.
Sachverhalt
Mit europaweiter Auftragsbekanntmachung schrieb der Antragsgegner (öffentlicher Auftraggeber) den Abschluss einer Rahmenvereinbarung aus. Das Vergabeverfahren wurde elektronisch abgewickelt. Die Antragstellerin (Bieter) reichte ein Angebot ein.
Nach Abschluss der Angebotsauswertung lag das Angebot der Antragstellerin nicht auf dem ersten Platz. Hierüber wurde die Antragstellerin mittels Schreiben nach § 134 GWB über die e-Vergabeplattform am 10. Juni 2021 unterrichtet.
Am Montag, den 21. Juni 2021, erteilte der Antragsgegner um 07:52 Uhr den Zuschlag an den Bestbieter. Die spätere Antragstellerin rügte den Angebotsausschluss noch am selben Tag als vergaberechtswidrig und leitete um 12:24 Uhr ein Nachprüfungsverfahren ein. Sie führt aus, der Antragsgegner habe den Zuschlag am Montag noch nicht erteilen dürfen. Die
10-tägige Stillhaltefrist nach § 134 Abs. 2 GWB ende rechnerisch zwar am Sonntag
(20. Juni 2021). Nach § 193 BGB habe sich das Fristende jedoch auf den nächstfolgenden Werktag (Montag) verschoben, so dass ein Zuschlag erst am Dienstag, den 22. Juni 2021, hätte erteilt werden dürfen.
Die Entscheidung
Der Nachprüfungsantrag hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung der Vergabekammer hat der Antragsgegner den Zuschlag wirksam erteilt. Die Stillhaltfrist endete am Sonntag um 24:00 Uhr und nicht am darauffolgenden Montag.
Der Antragsgegner hat durch seine an die Antragstellerin elektronisch übermittelte Vorabinformation vom 10. Juni 2021 die nach § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB zu beachtende Frist von
10 Kalendertagen in Gang gesetzt. Diese rein nach Kalendertagen zu bemessende Frist lief am Sonntag, den 20. Juni 2021, ab.
Das Ende dieser Frist verschiebt sich nicht nach § 193 BGB bei Fristende an Sonn- oder Feiertagen auf den folgenden Werktag. § 193 BGB findet keine Anwendung, da es sich bei der Frist nach § 134 Abs. 2 GWB um eine rein nach Kalendertagen bemessene Stillhaltefrist für den öffentlichen Auftraggeber handelt; nicht aber um eine Frist, binnen der eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist. Dies folgt aus dem unmissverständlichen Wortlaut des § 134 Abs. 2 Satz 1, 2 GWB, wonach ein Vertrag erst 10 Kalendertage „nach Absendung“ der Bieterinformation geschlossen werden darf. Der öffentliche Auftraggeber muss also den Ablauf dieser nach Kalendertagen zu bemessenden Frist abwarten. Anschließend fällt die Rechtswirkung des gesetzlichen Zuschlagsverbots i.S.v. § 134 GWB weg.
Praxistipp
Die Kenntnis um die korrekte Fristenberechnung nach § 134 Abs. 2 GWB ist von hoher Bedeutung. Denn erst nach Ablauf der Stillhaltefrist können öffentliche Auftraggeber einen Zuschlag rechtswirksam erteilen. Wie das Fristende zu berechnen ist, hat die VK Bund nun klargestellt: Fällt der letzte Tag der rechnerisch ermittelten Frist auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag, führt dies nicht zu einer Fristverlängerung.
Maßgebliche Entscheidung: VK Bund, Beschl. v. 28.06.21 - VK 2-77/21