Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Fit für den Brexit – Update für Geschäftsleiterhaftung
Geschäftsleiter haben die Pflicht, in den Angelegenheiten der Gesellschaft, zu deren Organ sie bestellt sind, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes walten zu lassen. Sie müssen sich wie ein besonnener und informierter Geschäftsleiter in der konkreten Situation des Unternehmens verhalten. Sie müssen sich insbesondere über Rechtsänderungen informieren, die die Gesellschaft betreffen.
Das Vereinigte Königreich dürfte mehr oder weniger unmittelbar mit dem Austritt aus der EU zu einem Drittstaat werden. Dies hat erhebliche Folgen für englische Gesellschaften, die in Mitgliedsstaaten tätig sind.
Gesellschaften englischer Rechtsform in Deutschland
Man schätzt, dass im Jahr 2019 noch zwischen 8.000 und 10.000 Gesellschaften in der englischen Rechtsform der Limited (Ltd.) ihren effektiven Verwaltungssitz in Deutschland hatten.
Nach dem Brexit gegründete Limiteds
Eine Ltd., die nach dem Brexit gegründet wird, unterfällt nicht mehr Art. 54 AEUV. Diese Bestimmung soll die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union sicherstellen: Eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft soll als solche in anderen Mitgliedsstaaten tätig sein dürfen. Deutsche Gerichte folgen daher insoweit der sog. Gründungstheorie und wenden bislang englisches Gesellschaftsrecht auf eine in Deutschland ansässige Ltd. an. Damit respektieren sie insbesondere die Begrenzung der Haftung der Gesellschafter einer Ltd. Ohne Art. 54 AEUV gilt jedoch die sog. Sitztheorie des Bundesgerichtshofs mit der Folge, dass deutsches Gesellschaftsrecht zur Anwendung kommt. Dieses hält eine abgeschlossene Anzahl von Gesellschaftstypen bereit. Von Mischtypen (bspw. GmbH & Co. KG, infolge Art. 54 AEUV bisher auch Ltd. & Co KG) abgesehen, kann nur der Gesetzgeber neue Gesellschaftsformen schaffen.
Was nicht in diese Typenlandschaft passt, wird vom Bundesgerichtshof passend gemacht: Verlegt eine nach dem Brexit gegründete Ltd. ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, wird sie hier als BGB-Gesellschaft oder OHG behandelt, je nachdem, ob sie ein Handelsgewerbe betreibt oder nicht. Das hat vor allem zur Folge, dass die Gesellschafter dieser Gesellschaft für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich haften. Bei Alleingründungen haftet der Gründer alleine, egal ob dieser Gründer eine natürliche oder juristische Person ist. Eine Haftungsbeschränkung nach englischem Recht durch Neugründung einer Ltd. ist nach dem Brexit also nicht mehr zu erreichen.
Bestehende Ltds.
Der deutsche Gesetzgeber hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass auch englische Gesellschaften, die vor dem Brexit in Deutschland angesiedelt wurden, danach als Gesellschaften aus einem Drittstaat anzusehen sind. Bislang ist allerdings nicht recht klar, welche Konsequenzen das haben soll.
Nach einer verbreiteten Auffassung soll der Brexit unmittelbar wirken. Sämtliche dann noch in Deutschland niedergelassenen Ltds. werden damit automatisch zu BGB-Gesellschaften oder OHG. Alleingesellschafter solcher Gesellschaften werden unmittelbar zum Unternehmensträger mit der Folge, dass sie in alle Rechte und Pflichten der bisherigen (Tochter-)Gesellschaft nachfolgen. Eine Übergangszeit ist nach dieser Ansicht nicht erforderlich, weil sich der Brexit lange genug abgezeichnet habe. In einer Konzernstruktur, in der Ltds. enthalten sind, würde das bedeuten, dass die unmittelbare Muttergesellschaft, etwa eine deutsche GmbH, unmittelbar nach dem Brexit Gesamtrechtsnachfolgerin der Ltd. würde. Dies muss der Geschäftsführer der Muttergesellschaft oder der Vorstand einer Konzernholding im Blick haben.
Nach einer Gegenansicht soll für zwei oder drei Jahre Vertrauensschutz gelten. Initiativen haben es zwar bis in den Bundestag gebracht. Allerdings ist es im Rahmen der Verabschiedung des 4. Umwandlungsrechtsänderungsgesetzes am 13. Dezember 2018 nur zu der Feststellung gekommen, dass die Frage der Umqualifizierung umstritten und noch nicht entschieden sei. Ein Geschäftsleiter wird sich also eher nicht darauf berufen können, dass er noch habe zuwarten können. Das gilt umso mehr, als das Vereinigte Königreich gesellschaftsrechtlichen Freundschaftsbekundungen aus Mitgliedsstaaten jüngst eine Absage erteilt hat: Nationale Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung sollen danach unmittelbar nach dem Brexit außer Kraft treten.
Fazit
Geschäftsleiter sollten die Auswirkungen des Brexit auch im Hinblick auf englische Gesellschaften, die in Deutschland ansässig sind, im Blick haben. Nach dem Brexit werden diese als BGB-Gesellschaft oder OHG behandelt. Sind deutsche natürliche oder juristische Personen Alleingesellschafter einer in Deutschland ansässigen Ltd., so werden sie wohl mit dem Brexit deren Gesamtrechtsnachfolger.