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EU-Lieferketten-Richtlinie: Schicksal ungewiss
Im Dezember 2023 einigten sich das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union auf wesentliche Inhalte für eine EU-Lieferketten-Richtlinie. Die finale Bestätigung durch die beiden Unionsorgane galt als reine Formsache. In dem Ausschuss, der die Arbeit des Rats der Europäischen Union vorbereitet (Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten - AStV), kam es in den letzten Wochen jedoch zu schweren Meinungsverschiedenheiten. Diese machen deutlich: Das Schicksal der EU-Lieferketten-Richtlinie ist ungewiss.
Ziel und Inhalt der EU-Lieferketten-Richtlinie
Durch die EU-Lieferketten-Richtlinie („Corporate Sustainability Due Diligence Directive“, kurz: CSDDD oder CS3D) sollen Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit verpflichtet werden. Diese Sorgfaltspflichten sollen die negativen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit von Unternehmen auf Menschenrechte und Umweltbelange abschwächen. Wesentliche Neuerungen zum bereits bestehenden deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) lägen für deutsche Unternehmen vor allem in den umfassenden Vorgaben zum Umwelt- und Klimaschutz, den härteren Sanktionen bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten und der zivilrechtlichen Haftung.
Falls die EU-Lieferketten-Richtlinie noch kommt, müsste der deutsche Gesetzgeber sie durch eine Änderung des LkSG umsetzen. Erst danach würde der Inhalt der EU-Lieferketten-Richtlinie unmittelbar für deutsche Unternehmen gelten. Dem Gesetzgeber wird zur Umsetzung von Richtlinien üblicherweise ein Zeitraum von zwei Jahren gewährt.
Uneinigkeit der Mitgliedstaaten
Ob und mit welchem Inhalt die EU-Lieferketten-Richtlinie final verabschiedet wird, ist momentan nicht absehbar. In den vergangenen Wochen sollte im AStV bereits mehrmals über den Inhalt der EU-Lieferketten-Richtlinie abgestimmt werden. Einige Mitgliedstaaten meldeten gegen den Inhalt der Richtlinie allerdings Bedenken an. Neben Deutschland kritisierten auch Frankreich und Italien die geplanten Richtlinienvorgaben stark. Die Kritiker befürchten insbesondere einen Attraktivitätsverlust des Wirtschafsstandorts und stufen einzelne Regelungen als kaum umsetzbar ein, gerade für den Mittelstand.
Die belgische Präsidentschaft des Europäischen Rats schlug jüngst einen Kompromiss vor. Dieser Kompromissvorschlag soll aktuellen Medienberichten zufolge in Abkehr von den im Dezember 2023 ausgehandelten Inhalten der EU-Lieferketten-Richtlinie insbesondere die folgenden Einschränkungen vorsehen:
- eine nur stufenweise Vergrößerung des Anwendungsbereichs der Richtlinie über drei bzw. fünf Jahre,
- eine Verkleinerung des finalen Anwendungsbereichs auf Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz von EUR 300 Millionen (unabhängig des Betätigungsfelds/-sektors),
- die Streichung von einzelnen Vorgaben zur Bekämpfung des Klimawandels sowie
- die Streichung von speziellen Regelungen in Bezug auf Banken und Finanzunternehmen.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags ist noch offen, wie die Mitgliedstaaten auf den belgischen Kompromissvorschlag reagieren. Eine Abstimmung im AStV ist für den 15. März 2024 geplant.
Nationale Regelungen bleiben bestehen
Das ungewisse Schicksal der EU-Lieferketten-Richtlinie ändert nichts an der Geltung bereits bestehender nationaler Regelungen, wie dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) oder dem französischen Lieferkettengesetz („Loi de vigilance“). In Deutschland bedeutetet dies, dass sich inländische Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern im Inland weiterhin an die Vorgaben des LkSG halten müssen. Für diese Unternehmen bleibt das Thema Sorgfaltspflichten in der Lieferkette höchst relevant. Denn bei Verstößen gegen das deutsche LkSG drohen hohe Bußgelder und ein empfindlicher Imageverlust.