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Energiekosten - besondere Situationen erfordern besondere Vereinbarungen
Die hohen Energiekosten machen die Produktion und damit die Produkte teurer. Unternehmen müssen mit ihren Kunden über Preisanpassungen verhandeln und sich gegen Preiserhöhungen ihrer Energieversorger wehren. Sollte im Winter das Gas rationiert oder gar abgeschaltet werden, kämen auch noch Auseinandersetzungen mit den Behörden, also der Bundesnetzagentur, und ihrer Versicherung hinzu.
Gemeinsam Lösungen finden ist besser als streiten
Betroffene Unternehmen versuchen oftmals Preisanpassungen mit höherer Gewalt zu begründen und berufen sich auf Force-Majeure-Klauseln. Auf Force Majeure können die Preiserhöhungen in der aktuellen Situation aber nicht gestützt werden. Das setzt voraus, dass die Lieferfähigkeit vorübergehend unmöglich oder erheblich erschwert ist aus Gründen, die vom Lieferanten nicht beeinflusst werden können. Dies kann bei der Rationierung von Gas der Fall sein, nicht jedoch bei Preissteigerungen. Höhere Gewalt rechtfertigt also allenfalls die vorübergehende Aussetzung der Belieferung, nicht aber Preiserhöhungen.
Grundsätzlich tragen die Lieferanten das Preis- und Beschaffungsrisiko. Daher ist schon fraglich, ob die Geschäftsgrundlage durch die erhöhten Energiekosten überhaupt so schwerwiegend gestört ist, dass die Fortsetzung der Belieferung nicht mehr zumutbar ist. Üblicherweise bleibt die Belieferung zumutbar, da die Gründe für die Preissteigerungen, abgesehen von der Rationierung von Gas, allesamt in der Sphäre des Lieferanten liegen. Bei Steigerungen, wie sie aktuell vorkommen, könnte die Grenze der Zumutbarkeit aber ausnahmsweise überschritten und die Geschäftsgrundlage tatsächlich gestört sein.
In laufenden Verträgen können Preisanpassungen nur verlangt werden, wenn sich die Parteien auf entsprechende Klauseln geeinigt haben. Hat der Lieferant dagegen eine Preisgarantie übernommen, scheiden Preiserhöhungen ohnehin aus. Auch wenn ausnahmsweise eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, darf der Lieferant die Preise nicht einseitig erhöhen, sondern es steht ihm nur ein Recht auf Anpassung des Vertrags zu. Die neuen Preise werden erst mit einer einvernehmlichen Vertragsänderung wirksam.
Die Reduzierung oder Einstellung der Produktion wegen der Preissteigerungen oder einer Rationierung von Gas kann Schadensersatzansprüche der Kunden zur Folge haben, wenn die Unternehmen nicht mehr voll lieferfähig sind. Denn es ist unklar, ob sie sich gegenüber ihren Kunden auf höhere Gewalt oder Störung der Geschäftsgrundlage berufen können. Steht die Reduzierung oder ein Stillstand der Produktion bevor, sollten Unternehmen alle Kunden, gegenüber denen sie bereits zur Lieferung verpflichtet sind, rechtzeitig informieren. Dadurch können sie ihren Verschuldensanteil reduzieren, sollte der Kunde später wegen Nichtlieferung Schadensersatz geltend machen. Beim Abschluss von neuen Verträgen sollten sich die Unternehmen ein Preisanpassungsrecht und ein Sonderkündigungsrecht für den Fall einer Produktionseinstellung vorbehalten.
Auch mit den Energieversorgern Vereinbarungen treffen
Bei der Beschaffung von Energie gilt all dies umgekehrt. Die Versorger sind nicht berechtigt, die Preise wegen höherer Gewalt zu erhöhen. Auch wenn ausnahmsweise die Geschäftsgrundlage schwerwiegend gestört sein sollte, können sie nicht einseitig die Preise anpassen. Das im Mai 2022 in Kraft getretene novellierte Energiesicherungsgesetz sieht zwar in § 24 für die Versorger außerordentliche Preisanpassungsrechte vor. Allerdings sollen diese Rechte erst dann greifen, wenn die Bundesnetzagentur erheblich verringerte Gesamtgasimporte feststellt, nicht schon automatisch mit Ausrufung der „Alarm- oder Notfallstufe“ nach dem Notfallplan Gas.
Unternehmen sollten einem Preisanpassungsverlangen ihrer Versorger daher zunächst nicht zustimmen. Neben dem Widerspruch gegen die Preiserhöhung sollten sie den Versorger darauf hinweisen, dass die Einstellung der Energieversorgung gravierende Schäden zur Folge hätte, aber hinsichtlich einer Anpassung der Preise Gesprächsbereitschaft signalisieren. Den bisher geltenden Preis sollten sie weiter bezahlen, allerdings vorsorglich etwaige Einzugsermächtigungen widerrufen. Das Anpassungsverlangen der Versorger darf nicht ignoriert werden, sonst ist er zur Kündigung berechtigt. Umgekehrt darf der Versorger die Belieferung dann nicht einstellen, wenn das Unternehmen ein zumutbares Angebot auf Erhöhung der Preise gemacht hat.
Bis neue Preise vereinbart sind, bleibt die rechtliche Grundlage der Energieversorgung unsicher. Diese Unsicherheit sollten Unternehmen möglichst schnell beenden, indem sie versuchen, mit dem Versorger einvernehmlich eine wirtschaftliche Lösung zu finden. So könnten beispielsweise höhere Preise gegen eine Verlängerung der Laufzeit akzeptiert werden. Wichtig zu beachten für Unternehmen ist auch, dass der Versorger unter Umständen berechtigt ist, den Vertrag zu kündigen, wenn tatsächlich eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, sofern eine Anpassung des Vertrags nicht möglich ist. Einen neuen Versorger zu finden, dürfte in der aktuellen Situation schwierig sein.
Gegen den Versorger zu klagen ist eine Alternative. Am Ende der gerichtlichen Auseinandersetzung steht dann zwar fest, ob die Versorger die Vertragsanpassung tatsächlich mit einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage begründen durften. Im Zweifel hat sich die wirtschaftliche Lage bis dahin aber verschlechtert, und im Falle einer Niederlage kommen auf das Unternehmen neben den Nachzahlungen auch noch die Prozesskosten zu.
Gasrationierungen sind nicht auszuschließen
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die „Alarmstufe“ ausgerufen und damit die zweite Stufe des Notfallplans Gas. Es droht die Feststellung der „Notfallstufe“ und damit die Rationierung von Gas durch die Bundesnetzagentur bis hin zu Abschaltungen. Die Gasrationierung kann bei kurzfristiger Abschaltung zu Schäden in der Produktion führen, beispielsweise an Öfen oder den gerade in Bearbeitung befindlichen Produkten, wenn keine Bevorratung von Gas möglich ist und die Produktion nicht rechtzeitig gestoppt werden kann. Die Deckung solcher Schäden durch die Versicherung kann in Frage stehen, da die Abschaltung der Versorgung nicht notwendig ein „unvorhersehbares Ereignis“ ist. Auch hier sollten die Unternehmen mit der Bundesnetzagentur und ihrer Versicherung ins Gespräch gehen und entsprechende Vereinbarungen treffen. Beispielsweise könnten die Unternehmen mit der Bundesnetzagentur Abschaltzeiten vereinbaren, die nicht unterschritten werden dürfen, um die Produktion rechtzeitig und ohne Schäden stoppen zu können. Mit ihrer Versicherung könnten die Unternehmen beispielsweise vereinbaren, dass ein unvorhersehbares Ereignis vorliegt, wenn diese Abschaltzeiten doch nicht eingehalten werden.
Fazit
Unternehmen sollten mit Kunden, die nicht voll bedient werden können, Vereinbarungen über Preisanpassungen und Lieferzeiten treffen, es sei denn es lässt sich belegen, dass höhere Gewalt oder eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Auch im Verhältnis mit den Energieversorgern gilt es, Auseinandersetzungen dadurch zu vermeiden, dass die Unternehmen mit ihren Versorgern sprechen, die Situation erklären und gemeinsam Lösungen finden. Die meisten Marktteilnehmer sind einerseits Lieferanten und andererseits Kunden, können die Sorgen und Nöte des Vertragspartners nachvollziehen und sind in der Regel zu Zugeständnissen bereit.