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Eine Handwerkskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber!

Öffentliche Hand
Eine Handwerkskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber!

Ausgangspunkt bei der Klärung der Frage, ob der betreffende Beschaffungsvorgang ausschreibungspflichtig ist, ist stets die Ausgangsfrage: Ist die Gebietskörperschaft, die juristische Person des öffentlichen Rechts oder das private Unternehmen „öffentlicher Auftraggeber“ im Sinne des Vergaberechts?

Das Gesetzt bestimmt, welche juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts als öffentliche Auftraggeber anzusehen und somit zur Beachtung des Vergaberechts verpflichtet sind, vgl. § 99 GWB.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein, um das betroffene Rechtssubjekt als öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 2 GWB zu qualifizieren:

  • Rechtspersönlichkeit,
  • staatlichen Beherrschung sowie
  • der besondere Organisationszweck „im Allgemeininteresse liegende Tätigkeiten nichtgewerblicher Art wahrzunehmen“

Nicht unproblematisch ist die Einordnung der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern. Diese Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (damit weisen sie die erforderliche Rechtspersönlichkeit auf) und nehmen Allgemeininteressen wahr (der besondere Organisationszweck ist mithin ebenfalls erfüllt).

Der Kurs, der sich in der Rechtsprechung jedoch zunehmend verfestigt, lautet: Mangels qualifizierter staatlicher Einflussnahmemöglichkeit sind sie keine öffentlichen Auftraggeber i.S.d. § 99 Nr. 2 GWB.

So führte das OLG Schleswig im Zusammenhang der öffentlichen Auftraggebereigenschaft von Handwerkskammern kürzlich aus:

„Die [Handwerkskammer] ist keine juristische Person, die einer qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit unterliegen würde. Eine überwiegende staatliche Finanzierung (§ 99 Nr. 2a GWB) sowie eine mehrheitliche Organbesetzung liegt […] nicht vor. Anders als die Antragstellerin meint, fehlt es auch an einer Leitung der Aufsicht nach § 99 Nr. 2 b GWB, weil die [Handwerkskammer] lediglich einer Rechts- und keiner Fachaufsicht unterliegt. Daher ist eine Handwerkskammer zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber, der unter § 99 Nr. 2 GWB fällt. Eine bloße Rechtsaufsicht, Rechtmäßigkeits- oder Rechnungshofkontrolle ist mangels entsprechender Einflussmöglichkeiten grundsätzlich nicht ausreichend" (OLG Schleswig, Beschl. v. 08.02.2024 - 54 Verg 7/23 vorhergehend: OLG Schleswig, 24.11.2023 - 54 Verg 7/23 und VK Schleswig-Holstein, 29.09.2023 - VK-SH 13/23).

Die Entscheidung fügt sich in die gängige Rechtsprechung ein: Auch wenn eine Handwerkskammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ist sie nicht zwangsläufig ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB, da sie regelmäßig keiner qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit unterliegt. Eine bloße Rechtsaufsicht vermittelt gerade keine hinreichende Möglichkeit der Einflussnahme.

Praxishinweis

Eine Ausschreibungspflicht kann sich aber auch bei einer überwiegenden Subventionierung des projektbezogenen Auftrags i.S.d. § 99 Nr. 4 GWB ergeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der „überwiegenden Subventionierung“ beim projektbezogenen Auftraggeber (Subventionierung um mehr als 50 %) ist der Zeitpunkt der Ausschreibung, mithin der Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung. Auf spätere Auszahlungen kommt es nicht an. Entscheidend ist mithin eine Beurteilung der Projektfinanzierung kurz vor Ausschreibungsbeginn.

Maßgebliche Entscheidung: OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 08.02.2024 – 54 Verg /23

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