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Eine ausschreibungsfreie „Schwester-Schwester-Inhouse-Vergabe“ ist nur möglich, wenn beide Schwestern nur eine Mutter haben!
Die Ausschreibungsfreiheit eines Vertrages zwischen Inhouse-Schwestern ist davon abhängig, dass die beiden vertragsschließenden juristischen Personen von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrolliert werden. Hieran fehlt es beispielsweise, wenn die zu beauftragende juristische Person von dem öffentlichen Auftraggeber kontrolliert wird (Kontrolle nur durch Mutter A), aber die beauftragende juristische Person nur gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern kontrolliert wird (Mutter A gemeinsam mit anderen Müttern).
Sachverhalt
Der öffentliche Auftraggeber (Schwester A) ist ein Abwasserzweckverband in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Verbandsmitglieder sind neben der Stadt W (Mutter A) vier weitere Städte (Alle 5 Verbandsmitglieder sind Mütter des öffentlichen Auftraggebers (Mütter A bis E)).
Schwester A beauftragte Schwester B (eine 100%igen Tochter von der Stadt W) mit ihrer kaufmännischen Betriebsführung. Ein wettbewerbliches Vergabeverfahren wurde nicht durchgeführt. Gegen diesen direkt und ohne ein wettbewerbliches Vergabeverfahren geschlossenen Betriebsführungsvertrag, leitete die bisherige Leistungserbringerin erfolgreich ein Nachprüfungsverfahren ein. Das OLG Naumburg hatte über die eingelegte sofortige Beschwerde zu entscheiden.
Entscheidung
Das OLG Naumburg bestätigt die Entscheidung der Vergabekammer! Nach Auffassung des Senats ist der Betriebsführungsvertrag unwirksam, weil die bisherige Dienstleistungserbringering rechtzeitig und begründet geltend gemacht hat, dass der öffentliche Auftraggeber für die Vergabe dieses Auftrags ein europaweites Ausschreibungsverfahren hätte durchführen müssen. Die Voraussetzungen einer (vertikalen) einfachen Inhouse-Vergabe i.S.d. § 108 Abs. 1 und 2 GWB liegen nicht vor, weil Schwester A über Schwester B) keine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt.
Eine Vergabefreiheit nach den Grundsätzen der (horizontalen) institutionellen Kooperation i.S.v. § 108 Abs. 4 GWB kommt nicht in Betracht, weil das städtische Tochterunternehmen (Schwester B) keine Einrichtung ist, die vom Schwester A gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern kontrolliert wird. Eine sog. inverse Inhouse-Vergabe i.S.d. § 108 Abs. 3, Alt. 1 GWB liegt nicht vor, weil die Auftragsvergabe nicht an den kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber erfolgt ist (das wäre Mutter A), sondern an Schwester B.
Auch die Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe nach § 108 Abs. 3, Alt. 2 GWB sind nicht gegeben. Während das städtische Tochterunternehmen (Schwester B) von der Stadt W kontrolliert wird, wird die Schwester B von mehreren Müttern (Mütter A bis E), u.a. der Stadt W, gemeinsam kontrolliert. Voraussetzung für die Ausschreibungsfreiheit der sog. Schwester-Schwester-Vergabe ist nach Ansicht des OLG Naumburg, dass die beiden vertragsschließenden Einrichtungen von derselben juristischen Person kontrolliert werden. Diese Rechtsauffassung stützt das OLG auf den Wortlaut des § 108 Abs. 3 Satz 1 GWB.
Fazit
Die Entscheidung fügt sich in die gängige Rechtsprechung ein: Ausnahmeregelungen wie die Inhouse-Vergabe werden restriktiv ausgelegt. Öffentliche Auftraggeber sind daher gut beraten, nicht vorschnell von dem Ausnahmetatbestand des Inhouse-Geschäfts auszugehen.
Maßgebliche Entscheidung: OLG Naumburg, Beschl. v. 3.6.2022 – 7 Verg 1/22