Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Ein Turbo für die Energie- und Klimawende? Das Osterpaket, dicht gefolgt vom Sommerpaket!
Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien, der durch den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine noch schneller voranschreiten muss, bedarf umfassender Gesetzesnovellen, unter anderem auf der Planungs- und Genehmigungsebene. Ein erster Schritt ist das am 6. April 2022 vom Kabinett beschlossene Osterpaket, das den Anteil von Ökostrom am Verbrauch bis 2030 auf 80 % erhöhen soll, also doppelt so viel wie gegenwärtig. Bis 2035 soll die Stromversorgung in Deutschland fast ausschließlich aus erneuerbaren Energien stammen.
Weitere Gesetzesnovellen zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen folgen dann im Sommerpaket, aber auch das Osterpaket stellt bereits entscheidende Weichen.
Bessere Rahmenbedingungen für die Solarenergie im Osterpaket
Ein wichtiger Baustein zur Umsetzung des ambitionierten Ziels, den Ertrag aus Erneuerbaren Energien bis 2035 zu verdoppeln, ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Solaranlagen. Bis 2030 soll die installierte Leistung von 59 auf 215 GW gesteigert werden, geplant sind 22 GW Zubau pro Jahr, hälftig verteilt auf Dächern und Freiflächen.
Hierfür sollen die besonderen Solaranlagen, also die sog. „Agri-PV“ auf Agrarflächen, schwimmende PV und Parkplatz-PV besonders gestärkt werden. Gleichzeitig wird die Flächenkulisse der sog. „benachteiligten Gebiete“ um die aufgrund neuer EU-Kriterien und durch die Bundesländer angepassten und veröffentlichten benachteiligten Gebiete erweitert. Die neue Flächenkulisse umfasst damit ca. 9 % mehr Fläche im Vergleich mit der bisher im EEG zugelassenen Fläche. Die Bundesländer müssen die Flächen aber – wie bislang – im Rahmen der Länderöffnungsklausel für die Nutzung von PV-Freiflächenanlagen freigeben.
Deutliche Ausweitung der finanziellen Beteiligung der Kommunen
Die finanzielle Beteiligung der Kommunen bei Windenergieanlagen und Freiflächen-PV hat sich bewährt. Deshalb wird dieses Anreizinstrument in § 6 EEG deutlich ausgeweitet und weiter rechtlich ausdifferenziert.
Für die Freiflächen-PV wird den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, den Abschluss eines Vertrages von der Festschreibung naturschutzfachlicher Vorgaben für die Anlagenbetreiber abhängig zu machen. So sollen Flächen mit PV-Anlagen als artenreiches Grünland entwickelt werden.
Im Hinblick auf Windenergieanlagen wird die Beteiligung auf Bestandsanlagen und auf solche Anlagen ausgeweitet, die keine Förderung nach dem EEG erhalten. Die Erweiterung der Beteiligung ist zunächst ein wichtiges Signal Richtung Kommunen. Bei der Ausweitung auf Bestandsanlagen wird aber die Chance verspielt, einen Anreiz für ein schnelleres Repowering zu schaffen, indem etwa für alte Bestandsanlagen ein geringerer Betrag angesetzt wird als für erneuerte Anlagen.
Erleichterungen im Planungs- und Genehmigungsrecht für den Windenergieausbau an Land erst im Sommerpaket
Der schnellere Windkraftausbau an Land spielt eine Schlüsselrolle, um Klimaschutzziele und Energiesouveränität zu erreichen. Während die Rahmenbedingungen für den Solarenergieausbau weiter verbessert werden, bringt das Osterpaket den erhofften großen Wurf zur Schaffung einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Beschleunigung des Windenergieausbaus noch nicht. Zwar wird erstmals gesetzlich verankert, dass die Erneuerbaren Energien im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Die wesentlichen Hemmnisse werden aber durch das Osterpaket nicht gelöst. Hierzu gehören vor allem Fragen des Planungsrechts sowie des Natur- und Artenschutzrechts.
Die Zielkonflikte zwischen Energiewende und Artenschutz sollen im Sommerpaket durch ein Windenergie-an-Land-Gesetz gelöst werden. Im Eckpunktepapier des Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministeriums vom 04.04.2022 werden die geplanten Neuregelungen vorgestellt.
Artenschutz im Fokus des Sommerpakets
Danach sollen die Genehmigungsverfahren u.a. durch standardisierte bundeseinheitliche Kriterien für artenschutzrechtliche Prüfungen beschleunigt werden. Vorbild ist hier das Immissionsschutzrecht mit der TA Luft und der TA Lärm als besondere Verwaltungsvorschriften, die unbestimmte Rechtsbegriffe gerichtsfest konkretisieren und für die Genehmigungsbehörden im Grundsatz bindend sind.
Dieser klare Fokus im Sommerpaket auf den Artenschutz ist richtig und wichtig, stellt der Artenschutz doch die zeitintensivste und komplexeste Genehmigungshürde in den Verfahren dar. Die Schaffung bundeseinheitlich gesetzlicher Standards etwa für die Einschätzung des Tötungs- und Verletzungsrisikos kollisionsgefährdeter Vögel i.R.d. § 44 Abs. 1 BNatSchG oder die Konkretisierung der Voraussetzungen für artenschutzrechtliche Ausnahmen i.S.d. § 45 Abs. 7 BNatSchG werden schon lange gefordert und sind daher zu begrüßen. Diese scheiterten in der Vergangenheit aber nicht unbedingt am politischen Willen, sondern vielmehr daran, fachwissenschaftlich belastbare Aussagen zu formulieren und diese rechtssicher umzusetzen. Dabei ging es auch immer wieder um die Frage der Vereinbarkeit mit dem Europäischen Natur- und Artenschutzrecht, etwa der FFH-Richtlinie. Die größte Herausforderung wird daher sein, ökologische Schutzziele der Richtlinie durch eine fachwissenschaftlich begründete Standardisierung adäquat abzubilden.
Davon abgesehen ist die Zulassung einer Windkraftanlage immer eine Einzelfallentscheidung, die durch eine Standardisierung nur vereinfacht, nicht aber ersetzt werden kann. Es bleibt daher spannend, wie dieser Konflikt letztlich allein auf nationaler Ebene ohne Änderung des Europäischen Natur- und Artenschutzrechts aufgelöst werden soll.
Erschließung neuer Flächen durch die Zwei-Prozent-Regelung
Was die für den Windenergieausbau bislang fehlenden Flächen angeht – eines der weiteren Haupthemmnisse des Ausbaus – stellt das Eckpunktepapier eine wichtige Gesetzesänderung in Aussicht: Die Verpflichtung der Bundesländer, zwei Prozent ihrer Fläche für die Windenergie zur Verfügung zu stellen. Weiter sollen Landschaftsschutzgebiete für den Bau von Windenergieanlagen geöffnet werden.
Des Weiteren werden im Eckpunktepapier Maßnahmen angekündigt, um die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaranlagen kurzfristig deutlich zu verringern. Wie diese Maßnahmen im Einzelnen aussehen sollen, zeigt ein Maßnahmenpapier des Bundeswirtschafts- und des Bundesverkehrsministeriums vom 05.04.2022. Zu begrüßen sind insbesondere die verringerten Abstände, der teilweise Rückbau von Drehfunkfeuern und die Anhebung der Störobergrenzen bei Funknavigationsanlagen. Bei Wetterradaranlagen ist die Situation komplexer, hier prüft der Deutsche Wetterdienst bis 2024 die Voraussetzung der Reduzierung des Prüfbereichs von derzeit 15 auf 5 km.
Baden-Württemberg will 1000 neue Windenergieanlagen bauen
Nachdem der Bund mit dem Eckpunktepapier die Möglichkeit der Planung für Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten und bundesrechtliche Erleichterungen beim Artenschutz in Aussicht gestellt hat, liegt der Ball für den Ausbau bei den Ländern. Das baden-württembergische Landes-Klimaschutzgesetz sieht bereits seit Oktober 2021 das Zwei-Prozent-Flächenziel vor. Danach sollen auch die Kommunen und die Regionalverbände, die Konzentrationszonen für Windenergieanlagen in Flächennutzungsplänen und Regionalplänen ausweisen können, mit dem Zwei-Prozent-Flächenziel stärker in die Pflicht genommen werden. Für die laufende Legislaturperiode hat sich die Landesregierung den Bau von 1.000 neuen Windkraftanlagen vorgenommen, für 500 stellt sie Flächen im Staatswald bereit. Vor diesem Hintergrund ist die Öffnung von Landschaftsschutzgebieten besonders wichtig.
Die Landesgesetzgeber sind aber nicht nur im Hinblick auf materiell-rechtliche Regelungen gefragt, sondern können auch im Verwaltungsverfahren Verfahrensschritte verschlanken. Dies zeigt eine aktuelle Gesetzgebungsinitiative der Koalition aus Grünen und CDU in Baden-Württemberg. Danach soll das Widerspruchsverfahren abgeschafft werden. Im Fall der Genehmigung von Windkraftanlagen hat dies immer wieder zu erheblichen Verzögerungen geführt. Von nun an soll in Baden-Württemberg direkt der Klageweg zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim eröffnet werden.
Wegfall der Länderöffnungsklausel für Abstandsregelungen soll wohl nicht kommen
Ebenfalls in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen, die den Ausbau der Windenergie zusätzlich erschweren. Nach dem Vorbild des Landes Mecklenburg-Vorpommern könnten Windenergieanlagen, die im Außenbereich errichtet werden, generell von der Abstandsflächenregelung ausgenommen werden. Der häufig geforderte Wegfall der Länderöffnungsklausel des § 249 Abs. 3 BauGB, die es den Ländern überhaupt erst ermöglicht, pauschale Abstandsregelungen zu treffen, scheint das Sommerpaket nicht vorzusehen. Dies wäre vor dem Hintergrund sinnvoll gewesen, dass sich die erforderlichen Abstände ohnehin aufgrund von immissionsschutz- und planungsrechtlichen Anforderungen ergeben.