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Der Zuschlag ist nicht in jedem Fall gleichbedeutend mit dem Vertragsschluss
Grundsätzlich kommen Verträge am Ende von Vergabeverfahren durch den Zuschlag des öffentlichen Auftraggebers zustande. Der Zuschlag stellt dabei die vorbehaltlose Annahme des bezuschlagten Angebots des Bieters dar.
Das Oberlandesgericht Celle ließ diesen Grundsatz im Urteil vom 29. Dezember 2022 – 13 U 3/22 – nicht zur Anwendung kommen.
Sachverhalt
Der öffentliche Auftraggeber (= Kläger) hatte einen Vertrag über Sicherheitsdienstleistungen ausgeschrieben, wobei das streitgegenständliche Vertragsdokument nicht Teil der Vergabeunterlagen war. Der Beklagte hatte das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und sollte den Zuschlag erhalten. Zwischen dem Angebot des Beklagten und dem Vertragsdokument, das der Beklagte erst zusammen mit dem Zuschlagsschreiben erhielt, bestanden vereinzelte Abweichungen (etwa in Bezug auf die Regelung von Rufbereitschaftszeiten und die Frist zur Vorlage eines Versicherungsnachweises). Im Zuschlagsschreiben des Klägers hieß es:
„Sie werden gebeten, umgehend die anliegenden Schriftstücke unterzeichnet zurück zu senden:
- Eine Ausfertigung des Vertrags mitsamt Anlagen
- Mitteilung über die Projektleitung“
Aufgrund der Abweichungen zwischen seinem Angebot und dem Vertragsdokument verweigerte der Beklagte die Unterzeichnung der Schriftstücke, woraufhin der Kläger einen Dritten mit der Erbringung der Sicherheitsdienstleistungen beauftragte. Die insoweit entstandenen Mehrkosten machte der Kläger im Anschluss gegenüber dem Beklagten gerichtlich mit dem Argument geltend, es sei mit dem Zuschlagsschreiben ein Vertrag zwischen Kläger und Beklagtem zustande gekommen.
Das Landgericht Hannover teilte in seinem klagestattgebenden Urteil die Auffassung des Klägers. Das Oberlandesgericht Celle gab demgegenüber dem Beklagten Recht.
Entscheidung
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle kam kein Vertragsschluss zustande. Denn das Zuschlagsschreiben habe keine vorbehaltlose Annahme des Angebots des Beklagten dargestellt, sondern aufgrund der Abweichungen zwischen Vertragsdokument und Angebot des Beklagten ein neues Angebot des Klägers (§ 150 Absatz 2 BGB). Dieses neue Angebot des Klägers hätte vom Beklagten seinerseits angenommen werden müssen, damit ein wirksamer Vertrag zustande gekommen wäre. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Abweichungen zwischen dem Vertragsdokument und dem Angebot des Beklagten als geringfügig angesehen werden könnten. Soweit die Annahmeerklärung eine inhaltliche Änderung darstellt, sei deren Art und Ausmaß unerheblich.
Bei einer Annahme mit Änderungen handele es sich nur dann nicht um ein neues Angebot im Sinne von § 150 Absatz 2 BGB, wenn der Antragsempfänger (hier: der Kläger) deutlich macht, dass er nur unverbindliche Änderungswünsche äußert und der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll. Eine solche Formulierung fehlte allerdings im Zuschlagsschreiben des Klägers. Vielmehr habe dieser nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle mit der Bitte um umgehende Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Vertrag (ausschließlich) mit dem Inhalt des Vertragsentwurfs zustande kommen soll. Weder dem Zuschlagsschreiben noch dem Vertragsentwurf sei zu entnehmen, dass es sich lediglich um einen optionalen Änderungsvertrag zu einem bereits mit dem Zuschlag zustande gekommenen Vertrag handeln sollte.
Handlungsempfehlung
Öffentliche Auftraggeber sollten in einem Vergabeverfahren die Vertragspflichten bereits mit Auftragsbekanntmachung bzw. Aufforderung zur Angebotsabgabe festlegen. Denn die Vertragsbedingungen zählen u.a. zu jenen Angaben, die grundsätzlich erforderlich sind, um einem an der Ausschreibung interessierten Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen, vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 3 VgV. Überdies bezieht ein Angebot dann auch auf das vorgegebene Vertragsdokument, so dass dieses die Grundlage des durch Zuschlag zustande kommenden Vertrags darstellt.
Soweit Vertragsbedingungen – ausnahmsweise – nicht bereits Teil des Vergabeverfahrens waren, der öffentliche Auftraggeber diese aber (nachträglich) mit Zuschlagserteilung in das Ausschreibungsverfahren und damit in die Vertragsbeziehung einbeziehen möchte, handelt es sich hierbei regelmäßig um eine vergaberechtlich unzulässige Einwirkung in das Vergabeverfahren. Denn nach Ablauf der (finalen) Angebotsfrist tritt das sog. Verhandlungsverbot in Kraft. Dieses Verbot gilt auch für öffentliche Auftraggeber, die nicht nach Belieben zu jedem Zeitpunkt im Vergabeverfahren Änderungen an den Ausschreibungsbedingungen vornehmen dürfen.
Unabhängig von dieser vergaberechtlichen Fragestellung sollte bei nachträglicher Ergänzung von Vertragsbedingungen das Zuschlagsschreiben so formuliert sein, dass der Zuschlag bedingungslos erteilt wird. Die Einbeziehung der neuen Vertragsbedingungen sollte ausdrücklich als unabhängig vom erteilten Zuschlag bestehender Änderungswunsch deklariert werden. Dies naturgemäß nur dann, wenn die Zuschlagserteilung „wichtiger“ als die gewünschte Einbeziehung des Vertragsdokuments sein sollte. Schließlich ist der erfolgreiche Bieter nicht verpflichtet, dem Änderungswunsch nachzukommen. Lehnt er den Änderungswunsch ab, ist der Vertrag ohne Einbeziehung der (neuen) Vertragsbedingungen zustande gekommen.
Maßgebliche Entscheidung: OLG Celle, Urt. v. 29.12.2022 – 13 U 3/22