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Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren kommt

Fachbeiträge

Die Europäische Kommission hat am 26. November 2016 den Entwurf einer Richtlinie u.a. für einen präventiven Restrukturierungsrahmen vorgelegt. Im Vordergrund steht eine Neugestaltung der Passivseite der Bilanz, auch gegen den Willen einer Gläubigerminderheit.

Zeitplan

 

Zunächst muss der Vorschlag noch vom Europäischen Parlament und Rat abgesegnet werden. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die verbindliche Richtlinie ins nationale Recht umzusetzen. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis in Deutschland die vorinsolvenzliche Sanierung eingeführt wird. Nachfolgend sollen daher einige Eckpunkte des vorgesehenen präventiven Restrukturierungsverfahrens dargestellt werden.

Ziel

 

Hauptziel des Vorschlags ist, die Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen, die sich aus unter-schiedlichen Restrukturierungs- und Insolvenzrahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten ergeben, einzudämmen. Bei weiterhin unterschiedlichem materiellem Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten soll im Bereich der vorinsolvenzlichen Restrukturierung ein europaweit abgestimmter rechtlicher Mindestrahmen errichtet werden, der sicherstellt, dass rentable Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten die Möglichkeit haben, sich frühzeitig zu restrukturieren und eine Insolvenz abzuwenden.

Präventiver Restrukturierungsrahmen

 

Wesentliche Unterschiede zum bestehenden Insolvenzverfahren und zum ESUG-Verfahren sind:

  • das Verfahren findet nicht in der Insolvenz, sondern vor der Insolvenz statt, 
  • der Restrukturierungsplan muss nicht alle Gläubiger einbeziehen,
  • im Vordergrund steht die finanzwirtschaftliche Restrukturierung, nicht die operative.

 

Voraussetzungen

 

Voraussetzung für die Einleitung eines präventiven Sanierungsverfahrens ist gemäß Kommissionsvorschlag die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz („likelihood of insolvency“). Die Formulierung legt zunächst nahe, an das im deutschen Insolvenzrecht bekannte Merkmal der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ gemäß § 18 InsO anzuknüpfen. Das präventive Restrukturierungsverfahren soll jedoch zur Verfügung stehen, bevor nach nationalem Recht die Voraussetzungen für ein Insolvenzverfahren vorliegen. Nach der Intention der Kommission dürfte der Beginn des präventiven Restrukturierungsverfahrens daher in ein früheres Stadium der wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Unternehmens verortet werden, da die drohende Zahlungsunfähigkeit bereits ein Eröffnungsgrund ist. Antragsberechtigt sind der Schuldner oder ein Gläubiger mit Zustimmung des Schuldners. Nicht zwingend ist die Bestellung eines Sanierungsexperten durch das Gericht. Ein solcher soll jedoch bestellt werden, soweit dem Schuldner ein alle Gläubiger betreffendes Moratorium gewährt wird oder der Restrukturierungsplan eine Überstimmung von Gläubigern vorsieht.

Moratorium

 

Während der Verhandlung des Restrukturierungsplans kann der Schuldner einen kollektiven (für alle Gläubiger) oder auch individuellen „Vollstreckungsstopp“ (Moratorium) für maximal vier Monate beantragen. In berechtigten Fällen besteht eine Verlängerungsoption bis zu insgesamt 12 Monaten. Tritt während der Laufzeit des Moratoriums ein Insolvenzgrund ein, ist die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Die Mitgliedstaaten sollen aber die Möglichkeit haben, im Falle des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit von diesem Grundsatz abzuweichen.

Restrukturierungsplan

 

Herzstück des Restrukturierungsverfahrens ist der Restrukturierungsplan. Die Regelungen sind an das deutsche Insolvenzplanverfahren angelehnt. Es müssen nursolche Gläubiger In den Plan mltelnbezogen werden, In deren Rechte durch den Plan eingegriffen werden soll. Auch der Restrukturierungsplan sieht Gläubigergruppen vor, wobei die Gesellschafter eine eigene Gruppe bilden. Für eine wirksame Annahme des Restrukturierungsplans ist eine Mehrheit in jeder abstimmenden Gläubigergruppe von höchstens 75 % vorgesehen. Der Plan muss immer von einem Gericht oder einer Behörde bestätigt werden, wenn er die Interessen ablehnender betroffener Gläubiger beeinträchtigt oder für das Unternehmen neue Geldmittel insolvenzfest bereitgestellt werden sollen. Der Plan ist genehmigungsfähig, wenn die Gläubiger im Vergleich mit einem Liquidationsszenario nicht schlechter gestellt sind. Stimmen nur einzelne Gruppen oder eine Gruppe (nicht die Anteilseigner oder nachrangige Gläubiger) dem Plan zu, kann er dennoch bestätigt werden, wenn u.a. keine der widersprechenden Gläubigergruppen im Falle einer Liquidation Zahlungen erhalten würde. Zudem muss die absolute Vorrangregel eingehalten werden, wonach die widersprechenden Gläubiger voll befriedigt werden müssen, bevor eine nachrangige Gläubigergruppe befriedigt wird oder wirtschaftliche Werte erhält. Der Kommissionsentwurf sieht zwar einen Rechtsbehelf gegen die Planbestätigung vor, dieser hat jedoch keine aufschiebende Wirkung.

„Safe harbours“ für Finanzierungen und Transaktionen

 

Neu- oder Überbrückungsfinanzierungen und sonstige Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung sollen vor Anfechtung geschützt werden, wie z.B. die Zahlung angemessener Gebühren und Kosten im Zusammenhang mit der Aushandlung, Annahme, Bestätigung oder Umsetzung eines Restrukturierungsplans.

Fazit: Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren wird kommen, da die zu erwartende Richtlinie umgesetzt werden muss. Das Verfahren ist als neues Sanierungstool im Grundsatz zu begrüßen. Es bleibt aber abzuwarten, wie die Richtlinie im Detail in Deutschland umgesetzt wird.

Rechtsgrundlage: Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 22.11.2016 über präventive Restrukturierungsmaßnahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs- Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU, COM(2016) 723 final

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