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Das öffentliche Preisrecht wird nach 70 Jahren erstmals reformiert
Die Verordnung Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (Verordnung PR Nr. 30/53) regelt seit fast 70 Jahren die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen. Zum 1. April 2022 treten Änderungen des öffentlichen Preisrechts in Kraft, die die Verordnung Nr. 30/53 erstmals in wesentlichen Punkten deutlich modifizieren.
In der Praxis häufig unbekannt, hat die Verordnung PR Nr. 30/53 für die Beschaffung öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge (bei Bauaufträgen findet die Verordnung keine Anwendung) eine erhebliche Relevanz. Ziel der Norm ist die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Grundsätze auch im öffentlichen Beschaffungswesen. Zudem soll den Risiken für die Preisbildung beim Fehlen von Marktbedingungen Rechnung getragen werden. In diesen Fällen werden Preise als Selbstkostenpreise vereinbart, die auf Grundlage der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) ermittelt werden. Zuletzt regelt die Verordnung auch Prüfung und Überwachung des Preisrechts durch die zuständigen Aufsichtsbehörden.
Die Regelungen des öffentlichen Preisrechts sind in weiten Teilen zwingendes Recht. Preise, die den preisrechtlich zulässigen Preis übersteigen, sind unwirksam. Die Kenntnis preisrechtlicher Bestimmungen ist daher von großer Relevanz für Auftraggeber und Auftragnehmer. Dies gilt vor allem dort, wo öffentliche Aufträge – wie z.T. etwa im Bereich der Beschaffung von Rüstungs- und Sicherheitstechnik – nicht im Wettbewerb vergeben werden. Über die Rechtsprechung hat das Preisrecht ferner auch im Bereich gebührenfinanzierter Leistungen bei der Prüfung der Angemessenheit von Fremdleistungsentgelten Bedeutung gewonnen.
Eine wesentliche Änderung der Verordnung PR Nr. 30/53 betrifft den Begriff des Marktpreises in § 4. Der Begriff des Marktpreises ist nun erstmals gesetzlich definiert. Neben dem allgemeinen Markt für Leistungen mit funktionierendem Wettbewerb und wettbewerblicher Preisbildung kann ein Marktpreis auch auf einem besonderen Markt für Leistungen, der durch ein Vergabeverfahren geschaffen wurde, in dem mehrere Anbieter geeignete Angebote abgegeben haben, gebildet werden. Ferner wird zukünftig (widerlegbar) vermutet, dass ein Preis, der auf einem besonderen Markt für eine Leistung angeboten wird, verkehrsüblich ist, wenn er sich unter den Bedingungen eines Wettbewerbs herausgebildet hat. Der Nachweis eines Marktpreises wird hierdurch deutlich vereinfacht.
Auch die Regelungen zur Preisprüfung in § 9 Verordnung Nr. 30/53 wurden modifiziert. So wurde klargestellt, dass die Preisprüfung im Ermessen der zuständigen Behörde steht. Den Preisprüfern wird durch die Neuregelung in § 9 Abs. 5 Verordnung Nr. 30/53 zudem die Möglichkeit eingeräumt, Kosten zu schätzen und, sofern dies nicht möglich ist, diese Kostenpositionen mit „Null“ anzusetzen. Diese auf Betreiben des Bundesrats in die Verordnung Nr. 30/53 aufgenommene Regelung geht über das zur Ermittlung des zulässigen Höchstpreises gebotene Maß hinaus. Wie Preisprüfung und Rechtsprechung hiermit in Zukunft umgehen werden, bleibt abzuwarten.
Weitere Änderungen betreffen die Regelungen der LSP. Zu erwähnen ist hier insbesondere Nr. 52. Demnach ist bei der Ermittlung von Selbstkostenpreisen der „übliche Gewinnzuschlag im Rahmen von öffentlichen Aufträgen vorzusehen.“
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass insbesondere die Änderung von § 4 Verordnung Nr. 30/53 zur Feststellung von Marktpreisen dem Zustandekommen von Preisen im Rahmen öffentlicher Beschaffungen besser Rechnung trägt, als dies bisher der Fall war. Ob das angestrebte Ziel eines „modernen Preisrechts“ mit den nun vorgenommenen Änderungen bereits erreicht wurde, darf allerdings bezweifelt werden, nicht alle in der (seit 2013 andauernden) Vorbereitung der Reform vorgeschlagenen Änderungen wurden umgesetzt. Dies sieht auch der Bundesrat so, der für die neue Legislaturperiode weitere Reformen des Preisrechts angemahnt hat.