Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Das neue FISG: Was ändert sich für Abschlussprüfer?
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 28. Mai 2021 dem vom Deutschen Bundestag am 20. Mai 2021 verabschiedeten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) zugestimmt. Mit dem Gesetz wird auf den Betrugs- und Insolvenzfall „Wirecard" reagiert, um das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt wiederherzustellen. Es sieht auch bedeutende Änderungen bei der Abschlussprüfung vor. Vor allem wird die Haftung der Abschlussprüfer deutlich verschärft. Die Neuregelungen werden größtenteils bereits am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Lesen Sie nachstehend, worauf sich Abschlussprüfer künftig einstellen müssen.
Verkürzte Rotationspflichten
Die Pflicht zur externen Rotation bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen wird künftig einheitlich nach spätestens zehn Jahren erfolgen. Bisher konnte der Rotationsplan nach den ersten zehn Jahren um weitere zehn Jahre verlängert werden, sofern eine öffentliche Ausschreibung erfolgte bzw. um 14 Jahre im Falle eines Joint Audit (§ 318 Abs. 1a HGB). Diese Rege¬lung entfällt nun. Die Rotation hat nunmehr zwingend nach zehn Jahren zu erfolgen (analog der bisherigen Regelung z.B. bei Banken). Das bedeutet: Unternehmen, die bis einschließlich Geschäftsjahr 2021 (KJ = GJ) seit zehn oder mehr Jahren von einem Abschlussprüfer geprüft werden, müssten für das Geschäftsjahr 2022 einen neuen Abschlussprüfer wählen. Artikel 12 des FISG sieht allerdings Übergangsfristen für die betroffenen Unternehmen vor.
Die interne Rotation für verantwortliche Prüfungspartner wird von sieben auf fünf Jahre verkürzt (§ 43 Abs. 6 WPO n.F.).
Strikte Trennung von Prüfung und Beratung bei kapitalmarktorientierten Unternehmen
Bisher durften bei Beratungsleistungen (wie bspw. Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen) in gewissem Umfang zusätzlich zur Prüfungsleistung erbracht werden (§ 319a HGB). Dies wird aufgehoben. Künftig ist also der Katalog verbotener Nichtprüfungsleistungen nach Art. 5 der Abschlussprüfer-VO (VO (EU) 537/2014) in Deutschland uneingeschränkt anwendbar.
Verschärfte zivilrechtliche Haftung
Die zivilrechtliche Haftung der Abschlussprüfer von Kapitalgesellschaften wird durch Änderung des § 323 Abs. 2 HGB in verschiedener Hinsicht verschärft. Laut Gesetzesbegründung soll damit die Qualität der Abschlussprüfung gestärkt und die erforderlichen Anreize für eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung gesetzt werden. Bisher kam Abschlussprüfern bei fahrlässigen Pflichtverletzungen eine Haftungsprivilegierung von 1 Mio. EUR bzw. 4 Mio. EUR bei börsennotierten Unternehmen je Prüfung zugute. Erst bei bedingt vorsätzlichem Handeln haftete der Abschlussprüfer unbeschränkt.
Nun werden zum einen die Haftungshöchstsummen für fahrlässiges Handeln spürbar angehoben. Bei börsennotierten Unternehmen erfolgt eine Erhöhung von 4 Mio. EUR auf 16 Mio. EUR, bei Banken und Versicherungsunternehmen von 1 Mio. EUR auf 4 Mio. EUR und bei den übrigen Unternehmen von 1 Mio. EUR auf 1,5 Mio. EUR.
Zum anderen differenziert das Gesetz nun stärker beim Verschuldensmaßstab und knüpft weitere Haftungsverschärfungen bereits an das Vorliegen grober Fahrlässigkeit: Abschlussprüfer von börsennotierten Kapitalgesellschaften haften dann künftig unbegrenzt. Bei Abschlussprüfern von Banken und Versicherungen erhöht sich die Haftung bei grober Fahrlässigkeit auf bis zu 32 Mio. EUR für eine Prüfung. Abschlussprüfer der übrigen gesetzlich prüfungspflichtigen Unternehmen haften künftig bei grober Fahrlässigkeit mit bis zu 12 Mio. EUR für eine Prüfung.
Bei vorsätzlichem Handeln können sich Abschlussprüfer, wie bereits bisher, nicht auf die vorgenannten Haftungshöchstgrenzen berufen. Sie haften unbegrenzt.
Künftig unterscheidet das Gesetz in der Frage anwendbarer Haftungshöchstsummen also zwischen (bedingtem) Vorsatz, grober und einfacher Fahrlässigkeit. Die Abgrenzung solcher Verschuldensgrade ist naturgemäß schwierig. Im Streitfall muss sie der Kläger darlegen und beweisen. Die Rechtsprechung wird geeignete Leitplanken zur Einordnung von Fehlern bei der Abschlussprüfung erst entwickeln müssen.
Steigende Versicherungsprämien und eine Zunahme von Haftungsklagen zu erwarten
Infolge der einschneidenden Haftungsverschärfungen sind deutlich steigende Versicherungsprämien für Abschlussprüfungen zu erwarten. Die Erhöhung der Versicherungsprämien wird zu steigenden Abschlussprüfungskosten für die zu prüfenden Unternehmen führen. Auch werden die Prüfungs- und Dokumentationsanforderungen an die Abschlussprüfer weiter zunehmen, welche die Prüfer wiederum in Form höherer Prüfkosten weitergeben werden.
Außerdem setzten die Haftungsverschärfungen neue Anreize für Klagen gegen Abschlussprüfer mit der Behauptung pflichtwidriger Prüfung. Insbesondere in der Konstellation vermuteter Insolvenzverschleppung erscheint es für Insolvenzverwalter häufig wirtschaftlich vorteilhaft, neben der Geschäftsführung den involvierten Wirtschaftsprüfer wegen behaupteter Testierfehler in Anspruch zu nehmen. Wegen der neuen zusätzlichen Differenzierung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit werden die Gerichte künftig detaillierte Vorgaben zur Auslegung von Sorgfaltspflichtverletzungen der Abschlussprüfer entwickeln müssen. Vorerst dürften sich Abschlussprüfer schon aus diesem Grund der fehlenden Rechtsanwendungssicherheit einem erhöhten Risiko der Inanspruchnahme ausgesetzt sehen.
Bei Menold Bezler besteht ein Taskforce-Team aus erfahrenen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern, welche insbesondere beklagten Wirtschaftsprüfern in Haftungsfällen vor Gericht zur Seite stehen.