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Das Geschäft mit dem Corona-Virus – erste Abmahnungen gegen Onlinehändler wegen Wucherpreisen
Aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ist die Nachfrage nach bestimmten Waren wie Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln stark gestiegen. Einzelne Händler versuchen, hieraus Profit zu schlagen. Überschreiten die verlangten Preise jedoch die Grenze des Wuchers, drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.
Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch, den 25. März 2020, mitteilte, stieg die Nachfrage nach Desinfektionsmittel Anfang März auf mehr als das Achtfache im Vergleich zum Durchschnitt des vorigen Halbjahres. Ähnlich stark stieg die Nachfrage nach Seife. Auch Atemschutzmasken sind derzeit überaus begehrt.
Die unverändert hohe Nachfrage und das knappe Angebot verleiten zahlreiche Händler vor allem im Internet dazu, die Preise für die begehrte Ware dramatisch zu erhöhen. Einige Händler wurden deshalb bereits abgemahnt mit dem Vorwurf, Wucherpreise zu verlangen.
Was sind Wucherpreise und bis zu welcher Grenze ist eine Preiserhöhung zulässig?
„Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise.“ Dieser Ausspruch ist Ausdruck des im Zivilrecht verankerten Grundsatzes der Privatautonomie, wonach es jedem Händler zunächst selbst überlassen bleibt, seine Preisstruktur zu gestalten. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in extremen Einzelfällen denkbar. Einen solchen Ausnahmefall stellen Wucherpreise dar.
Nach den bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen liegt Wucher unter anderem vor, wenn ein Händler unter Ausbeutung einer Zwangslage seiner Kunden für die begehrten Produkte Preise verlangt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu dem Wert der Produkte stehen. Eine solche Zwangslage ist beispielsweise im Fall einer Vorratsknappheit anzunehmen, die auf eine Pandemie zurückzuführen ist. Dies gilt auch, wenn für die Vorratsknappheit objektiv nicht gerechtfertigte Hamsterkäufe mitursächlich sind oder wenn die Zwangslage der Kunden objektiv möglicherweise nicht oder nicht in dem Maße besteht.
Ob der Preis in einem auffälligen Missverhältnis zu dem Wert des Produkts steht, lässt sich letztlich nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilen. Für eine erste praktische Einschätzung hat die Rechtsprechung jedoch eine Vermutungsregel entwickelt. Weichen der übliche Marktwert des Produkts und sein Preis um 100 % oder mehr voneinander ab, ist in der Regel von einem auffälligen Missverhältnis auszugehen.
Konsequenz eines Wucherpreises ist zunächst, dass der Kaufvertrag nichtig ist und rückabgewickelt werden muss. Gleichzeitig stellt das Ausnutzen einer Zwangslage der Verbraucher jedoch in der Regel eine sogenannte aggressive – und damit unlautere – geschäftliche Handlung dar. Derartige Wettbewerbsverstöße können sowohl von Wettbewerbern als auch von klagebefugten Verbänden und Einrichtungen, wie beispielsweise Verbraucherschutzvereinen, abgemahnt werden.
Auch Verkaufsplattformen wie Amazon oder eBay sind längst auf diese unlautere Praxis aufmerksam geworden. Beide Unternehmen haben damit begonnen, gegen Preistreiberei vor allem bei Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel vorzugehen. Da entsprechende Angebote gegen die Richtlinien zur Nutzung der Plattformen verstoßen, droht die Löschung derartiger Angebote oder gegebenenfalls auch vollständiger Händleraccounts.
Besonderheiten beim Vertrieb von Desinfektionsmittel
Neben den Vorgaben für die Preisgestaltung sind beim Vertrieb von Desinfektionsmittel, der für viele Händler derzeit äußerst attraktiv erscheinen dürfte, Besonderheiten zu beachten. Grund hierfür ist, dass es sich bei Desinfektionsmittel um ein sogenanntes Biozidprodukt handelt, von dem aufgrund seiner Fähigkeit zur Bekämpfung von Organismen ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen kann.
Nach der Biozid-Verordnung (VO [EU] Nr. 528/2012) gelten für diese Produkte deshalb besondere Vorgaben, beispielsweise für die Kennzeichnung und die Werbung. Werden diese Vorgaben missachtet, drohen ebenfalls wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.
Fazit: Die Freiheit bei der Preisgestaltung endet dort, wo die besondere hohe Nachfrage durch eine Zwangslage der Kunden begründet ist. Händler können die Preise insoweit nicht grenzenlos (> 100%) erhöhen, sonst stellt sich ihre Geschäftspraxis als aggressive und damit unlautere Handlung dar, die abmahnfähig ist. Entsprechend zu Wucherpreisen abgeschlossene Kaufverträge sind sittenwidrig und damit nichtig. Die Zahlung des Kaufpreises ist nicht geschuldet.