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Chancen und Herausforderungen nach dem SanInsFoG
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) hat der Gesetzgeber die Eigenverwaltung neu geregelt. Für Unternehmen in der Krise heißt das: Wollen sie ein Eigenverwaltungsverfahren in Anspruch nehmen, müssen sie strengere Vorgaben beachten und deutlich mehr in die Vorbereitung investieren als zuvor.
Eigenverwaltung im Rückblick
Die Möglichkeit für insolvenzantragstellende Unternehmen, weiterhin unter der Aufsicht eines Sachwalters die Geschäfte zu leiten und über die Insolvenzmasse zu verfügen, wurde bereits 1999 mit der InsO eingeführt. Gegen diese sogenannte Eigenverwaltung regte sich schon damals Widerstand von Seiten der Gläubiger und Insolvenzrichter, was dazu führte, dass die Eigenverwaltung äußerst selten angeordnet wurde. Hauptargument war stets: hier werde der „Bock zum Gärtner“ gemacht. Der für die Krise verantwortlichen Geschäftsleitung könne nicht auch die Sanierung des Unternehmens anvertraut werden.
Das Gesetz zur Erhaltung und Sanierung von Unternehmen (ESUG) senkte erstmals im Jahr 2012 die Hürden für die Eigenverwaltung deutlich ab. Notwendig war fortan nur noch ein entsprechender Antrag des Schuldners, verbunden mit der Zusicherung, dass absehbar keine Nachteile für die Gläubiger zu erwarten seien (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO a.F.). Trotz dieser Erleichterungen entwickelte sich die Eigenverwaltung in der Breite nicht zum Standardverfahren bei der Sanierung von Unternehmen. Allerdings nahm die Zahl der Eigenverwaltungsverfahren im Bereich großer Kapitalunternehmen deutlich zu. 3% Prozent der Insolvenzverfahren wurden im Jahr 2020 als Eigenverwaltungsverfahren durchgeführt. Nicht jede Eigenverwaltung verlief jedoch erfolgreich, weshalb die Skepsis gegenüber dem Instrument blieb. Grund hierfür waren insbesondere die schlechte Vorbereitung von Eigenverwaltungsverfahren und die Erstreckung auf Sanierungsfälle, die sich nicht für eine Eigenverwaltung eigneten. Etwa, weil die zur Verfügung stehende Liquidität nicht ausreichte oder eine Sanierung des Unternehmens aufgrund einer viel zu späten Antragstellung und damit bereits eingetretener Auszehrung des Unternehmens bzgl. Vermögenswerten, Aufträgen, Mitarbeitern nicht mehr möglich war.
Das ESUG wurde im Jahr 2018 evaluiert. Daraufhin stellte der Gesetzgeber die Eigenverwaltung mit dem SanInsFoG zum 1.1.2021 erneut auf neue Füße. Wesentliche Ziele: mehr Rechts- und Planungssicherheit für die Schuldner mit Blick auf den Zugang zum Verfahren bei gleichzeitiger Wahrung der Gläubigerinteressen. Die beantragte Eigenverwaltung wird nunmehr an einige Voraussetzungen geknüpft.
§ 270 ff. InsO neu – was hat sich geändert?
Neugefasst wurden mit dem SanInsFoG die §§ 270 ff InsO. Darin wird im Wesentlichen definiert, welche Anforderungen der Schuldner bei einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung erfüllen muss (sog. Eigenverwaltungsplanung). Diese sind nun in Summe gläubigerfreundlicher: Dass die Anordnung allein nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt, reicht nun nicht mehr aus; vielmehr muss der Schuldner darlegen, dass er seine Geschäftsführung ernsthaft an die Interessen der Gläubiger anzupassen bereit ist.
Die Eigenverwaltungsplanung setzt im Einzelnen voraus:
- einen Finanzplan für einen Zeitraum von sechs Monaten, der unter Angabe der Finanzierungsquellen darlegt, dass die Fortführung des Geschäftsbetriebes und der Kosten des Verfahrens gedeckt sind (§ 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO),
- ein Konzept für die Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens, in dem u.a. Ausmaß und Ursachen der Krise sowie die Maßnahmen zu deren Bewältigung beschrieben werden. (§ 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO),
- einen Bericht über den Stand der Verhandlungen mit Gläubigern, Gesellschaftern und Dritten (§ 270a Abs. 1 Nr. 3 InsO),
- eine Darstellung der Maßnahmen, die der Schuldner zur Erfüllung seiner insolvenzrechtlichen Pflichten getroffen hat (§ 270a Abs. 1 Nr. 4 InsO) sowie
- eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten der Eigenverwaltung im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren (§ 270a Abs. 1 Nr. 5 InsO).
Faktisch führen etwa erhebliche Rückstände bei Lieferanten, Sozialversicherungsträgern oder dem Fiskus zu einer Ablehnung des Antrags auf Eigenverwaltung, falls im Einzelfall nicht dargelegt werden kann, dass die Interessen der Gläubiger dennoch gewahrt werden.
Die Anforderungen des neuen § 270a InsO führen dazu, dass ein Insolvenzantrag, verbunden mit dem Antrag auf Eigenverwaltung, eine Vorbereitungszeit von regelmäßig nicht unter zwei Wochen voraussetzt. Kernstück des Antrags bildet hier die Finanzplanung über sechs Monate hinweg, welche je nach Gericht auch bereits die Kosten des Insolvenzverfahrens abbilden muss. Am Erfordernis einer ordnungsgemäßen Finanzplanung dürften bereits die Unternehmen scheitern, die über keine geordnete bzw. keine aktuelle Buchhaltung verfügen. Auch dies kann ein faktisches Zulassungshindernis darstellen. Liegt bereits eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, bleibt häufig keine Zeit mehr, die Buchhaltung wieder auf Stand zu bringen und den Anforderungen des § 270a InsO zu genügen. Nur bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit können derartige „Aufräumarbeiten“ vor Antragstellung in Angriff genommen werden.
Nach § 270b InsO ordnet das Gericht dann die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellt einen vorläufigen Sachwalter, wenn der Schuldner eine vollständige und schlüssige Eigenverwaltungsplanung vorgelegt hat. Zudem dürfen keine Umstände bekannt sein, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht.
Ändern sich im Verlauf des Verfahrens wesentliche Parameter der Eigenverwaltungsplanung, muss der Schuldner das Gericht und den vorläufigen Sachwalter darüber unverzüglich informieren. Tut er es nicht, verletzt also seine Pflichten in der Eigenverwaltungsplanung oder zur Offenlegung wesentlicher Abweichungen davon, kann die Eigenverwaltung beendet werden (§ 270e InsO).
Worin liegen die Herausforderungen der neugefassten Eigenverwaltung?
Neben den hohen Anforderungen an die Eigenverwaltungsplanung dürfen auch keine wesentlichen Rückstände gegenüber den Gläubigergruppen Arbeitnehmer, Lieferanten, Sozialversicherungsträger, Fiskus und aus Pensionszusagen bestehen, § 270a Abs. 2 InsO.
Die Sicherstellung der Finanzierung des Geschäftsbetriebs und der Kosten des Insolvenzverfahrens fordert Unternehmen besonders heraus. In ihren Sechs-Monats-Plan dürfen Schuldner zwar auch Mittel einplanen, die noch nicht feststehen, aber wahrscheinlich eingehen werden (zum Beispiel Steuererstattungen), allerdings zeigt die Erfahrung, dass der Geschäftsbetrieb in der Insolvenz in den meisten Fällen nur durch echte oder unechte Massekredite sowie durch Verzicht der Gläubiger fortgeführt werden kann. Ob Kunden und Finanzgläubiger indessen ein so hohes Interesse an der Fortführung des Geschäftsbetriebs haben, dass sie dem Finanzplan zustimmen werden, lässt sich vielfach nicht absehen, weshalb auch das Gericht diese Option im Zweifel nicht als hinreichend wahrscheinlich ansehen wird. Eingerechnet werden können hingegen das von der Bundesagentur für Arbeit übernommene Insolvenzgeld und der Verzicht auf Ausgleich nicht besicherter Insolvenzforderungen, z.B. aus Dienstleistungen, da diese Forderungen lediglich zur Insolvenztabelle angemeldet werden können.
Eigenverwaltung versus außergerichtliche Sanierung
Oftmals ziehen Unternehmen in der Krise den Versuch einer außergerichtlichen Restrukturierung vor, und versuchen sich mit ihren Finanzgläubigern im Verhandlungswege zu einigen. Dafür spricht im Wesentlichen, dass sich mit der Vorbereitung der Insolvenz- und Eigenverwaltungsplanung die schwierige finanzielle Lage, in der sich das Unternehmen befindet, gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Vertragspartnern kaum geheim halten lässt. Unternehmen verlieren damit das wichtigste Asset einer außergerichtlichen Sanierung, die gerade auf Vertraulichkeit ausgerichtet ist, um das in der Mehrzahl der Fälle gefürchtete Stigma der Insolvenz(nähe) zu vermeiden. Zu beachten gilt hier, dass beispielsweise arbeitsrechtliche Maßnahmen oder die Beendigung nachteiliger Verträge außerhalb der Insolvenz nicht, oder nur erschwert, möglich sind. Eine finanzwirtschaftliche Sanierung außerhalb der Insolvenz scheitert daher häufig.
Gelingt die außergerichtliche Sanierung nicht, wird der Insolvenzantrag zusammen mit dem Antrag auf Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung vorbereitet. Weil sich nach dem neuen Recht nun die Anforderungen an den Antrag verschärft haben, sind Schuldnerunternehmen gehalten, die Eigenverwaltungsplanung gleichzeitig mit den Verhandlungen zur außergerichtlichen Sanierung zu beginnen. Ihr Aufwand steigt damit erheblich, da zweigleisig zu planen ist und die Kosten für die Erstellung der Eigenverwaltungsplanung bereits ausgelöst werden müssen.
Geschäftsführerhaftung in der Eigenverwaltung
Selbst wenn das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anordnet, endet damit nicht die mögliche Haftung der Geschäftsleitung. Vielmehr muss sie sich an dem Maßstab messen lassen, der in einem Regelinsolvenzverfahren an den (vorläufigen) Insolvenzverwalter angelegt wird. Werden etwa im eröffneten Verfahren Verbindlichkeiten begründet, die aufgrund einer unvorhergesehenen Aufzehrung der Masse nicht mehr bedient werden können, kommt eine persönliche Haftung der Eigenverwaltung (sprich der Geschäftsleitung) in Betracht.
Was kann das Unternehmen sonst noch tun?
Um mehr Sicherheit zu erlangen, dass dem Antrag auf Eigenverwaltung stattgegeben wird, empfiehlt sich ein frühzeitiges Vorgespräch mit dem zuständigen Insolvenzgericht. In dem Gespräch können die Voraussetzungen und Ziele der Eigenverwaltung in einer die bloße Aktenlage übersteigenden Dimension besprochen werden. Zudem gewinnt das Gericht einen Eindruck von demjenigen, der für sich in Anspruch nimmt, das Verfahren in den kommenden Wochen und Monaten zu führen. Der Geschäftsleiter allein wird dies in den seltensten Fällen bewerkstelligen können. Ohne einen erfahrenen Sanierungsberater (CRO – Chief Restructuring Officer), meist ein gelernter Insolvenzverwalter, der die Sanierung unter Einbringung seines Sachverstands begleitet, wird die Sanierung an der Verfehlung insolvenzrechtlicher Vorgaben scheitern.
Fazit
Mit den Änderungen hat der Gesetzgeber den Zugang zur Eigenverwaltung erschwert. Unmöglich ist das Eigenverwaltungsverfahren damit aber keineswegs. Unternehmen, die sich rechtzeitig und sorgfältige mit der Vorbereitung des Antrags befassen und einen erfahrenen Sanierungsberater an ihre Seite nehmen, haben im Regelfall gute Aussichten darauf, dass das Gericht ihrem Antrag auf Eigenverwaltung auch entspricht.