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Bundesverwaltungsgericht und VGH Baden-Württemberg klären grundsätzliche Fragen zu Vorkaufsrechten

Fachbeiträge
Bundesverwaltungsgericht und VGH Baden-Württemberg klären grundsätzliche Fragen zu Vorkaufsrechten

Mit dem am 23. Juni 2021 in Kraft getretenen Baulandmobilisierungsgesetz (vgl. Artikel aus April 2021) hatte der Gesetzgeber das kommunale Vorkaufsrecht noch erweitert. Hingegen schränkte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. November 2021 die Handlungsmöglichkeiten in Gebieten einer Erhaltungssatzung zum „Milieuschutz“ ein und stellte dem Gesetzgeber damit neue Hausaufgaben. Mit ganz aktuell veröffentlichtem Urteil vom 26. Januar 2022 klärte der VGH Baden-Württemberg weitere Fragen im Zusammenhang mit besonderen Vorkaufsrechten in Satzungsgebieten nach § 25 BauGB.

Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts lag der Verkauf eines Wohngrundstücks in Berlin im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zugrunde. Das zuständige Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aus, weil zu befürchten sei, dass die Zusammensetzung der sozialgemischten Wohnbevölkerung aufgrund der Verdrängung einkommensschwächerer Gruppen nicht erhalten werde. Der relativ hohe Kaufpreis lasse erwarten, dass die Käuferin (eine gewinnorientierte private Immobiliengesellschaft) das Grundstück anders als bisher nutzen und den Kaufpreis durch mieterhöhende bauliche Maßnahmen refinanzieren werde. Diese Vorgehensweise entsprach bislang vielfach der Praxis und wurde vom VG Berlin und OVG Berlin-Brandenburg zunächst in erster und zweiter Instanz bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied allerdings, dass der Ausschlussgrund nach § 26 Nr. 4 BauGB das Vorkaufsrecht auch im Gebiet einer Erhaltungssatzung ausschließt, wenn das Grundstück entsprechend deren Zielen und Zwecken bebaut ist und genutzt wird. Dabei kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an und nicht auf mögliche zukünftige Entwicklungen. Die befürchtete „Luxussanierung“ samt Mieterhöhung musste also außer Betracht bleiben.

Dies ergebe sich vorrangig aus dem Wortlaut des § 26 Nr. 4 BauGB, der im Präsens gehalten ist. Das Vorkaufsrecht kann in Fällen einer Erhaltungssatzung daher vorrangig nur ausgeübt werden, wenn die bauliche Anlage Missstände oder Mängel aufweist. Eine Änderung dieser Rechtslage könne nur der Gesetzgeber vornehmen. In der Tat finden sich im Koalitionsvertrag der „Ampel“-Regierung bereits entsprechende Überlegungen. Die gesetzlichen Regelungen des kommunalen Vorkaufsrechts bleiben daher aller Voraussicht nach weiter in Bewegung.

Aber auch die bestehende Rechtslage stellt Klärungsbedarf, wie das jüngst veröffentlichte Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 26. Januar 2022 zeigt. Eine Gemeinde im Enzkreis hatte durch Satzung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB ein Vorkaufsrecht in Gebieten begründet, „in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht“. Anders als das VG Karlsruhe in der Vorinstanz bestätigte der VGH die Ausübung eines Vorkaufsrechts an der „Winzerhalle“. Die Berufungsentscheidung erörtert gleich mehrere interessante Rechtsfragen.

Zunächst hielt es der VGH für zulässig, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht vorrangig (aber zu Unrecht) auf § 24 Abs. 1 BauGB stützte und nur „hilfsweise“ auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Kernfrage war anschließend, ob als „städtebauliche Maßnahme“ schon die vorgesehene Sanierung und Umgestaltung der Winzerhalle genügt oder ob das Vorkaufsrecht planungsrechtliche Maßnahmen voraussetzt. Der VGH geht von einem weiten Verständnis aus und lässt sich tatsächliche Maßnahmen genügen. Schließlich stellte das Urteil klar, dass eine Abwendung des Vorkaufsrechts nach § 27 Abs. 1 BauGB durch verbindliche Verpflichtungserklärung des Käufers erfolgen muss. Diese kann zwar einseitig gegenüber der Gemeinde erklärt werden, muss aber eine eindeutige Verpflichtung zur Einhaltung der Planungsvorstellungen der Gemeinde enthalten.

Weil die Auslegung der „städtebaulichen Maßnahmen“ noch nicht vom Bundesverwaltungsgericht entschieden wurde, ließ der VGH die Revision gegen sein Urteil zu. Möglicherweise gibt es daher bald wieder Neues zum Vorkaufsrecht aus Leipzig.

Maßgebliche Entscheidungen: BVerwG, Urt. v. 09.11.2021 – 4 C 1.20; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.01.2022 – 5 S 1259/20

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