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Bundesministerium der Justiz plant Stärkung des Justizstandorts Deutschland

Fachbeiträge
Bundesministerium der Justiz plant Stärkung des Justizstandorts Deutschland

Das Bundesministerium der Justiz plant eine Stärkung und Internationalisierung des Justizstandorts Deutschland durch die Einführung spezieller Kammern bzw. Senate an ausgewählten Landgerichten und Oberlandesgerichten.

 

Rückgang erstinstanzlicher Verfahren bei deutschen Zivilgerichten

Der in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland vorgesehene dreistufige Instanzenzug wird im Wettbewerb mit ausländischen Wirtschafts- und Schiedsgerichten vielfach als Nachteil betrachtet. Dies verdeutlicht der Abschlussbericht des Forschungskonsortiums zur Untersuchung des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten vom 21. April 2023. Nach diesem ging die Anzahl der erstinstanzlichen Verfahren bei den Zivilgerichten zwischen 2005 und 2019 um mehr als 600.000 zurück, was einem Rückgang um ca. 32,5 % entspricht. Die Verfahrenszahlen bei den Kammern für Handelssachen haben sich zwischen 2005 und 2019 sogar halbiert. Nach dem Bericht soll im Hinblick auf Wirtschaftsstreitigkeiten ein wichtiger Faktor für den Rückgang sein, dass bei deutschen Zivilgerichten (angeblich) wenig Verständnis für komplexere wirtschaftliche Zusammenhänge herrsche und die Gerichte für internationale Streitigkeiten wenig attraktiv seien.

 

Einführung von „Commercial Chambers“ und „Commercial Courts“

Mit dem am 25. April 2023 vom Bundesministerium der Justiz veröffentlichten Referentenentwurf „zur Stärkung des Justizstandorts Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit“ – kurz: „Justizstandorts-Stärkungsgesetz“ – soll insoweit gegengesteuert werden.

Um die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland für große Wirtschaftsstreitigkeiten attraktiver zu machen, plant das Bundesministerium der Justiz die Einführung sog. „Commercial Chambers“ an ausgewählten Landgerichten, die für bestimmte Wirtschaftsstreitigkeiten zuständig sein sollen. Für Wirtschaftsstreitigkeiten ab einem Streitwert von einer Million Euro sollen die Bundesländer an ihren Oberlandesgerichten außerdem sog. „Commercial Courts“ einrichten dürfen. Die „Commercial Courts“ sollen mit spezialisierten Richterinnen und Richtern besetzt werden, die auf eine moderne technische Ausstattung in den Gerichten zugreifen können.

Verfahren vor den „Commercial Chambers“ bzw. „Commercial Courts“ sollen vollständig auf Englisch geführt werden. Auch die gerichtlichen Entscheidungen sollen auf Englisch ergehen. Voraussetzung soll sein, dass sich die Parteien auf die Verfahrenssprache Englisch einigen oder die beklagte Partei dem nicht widerspricht.

Eine Verfahrensführung auf Englisch soll – im Einvernehmen mit dem zuständigen Senat des Bundesgerichtshofs – außerdem auch in der Revision möglich sein.

Die englischsprachigen Entscheidungen der „Commercial Chambers“, der „Commercial Courts“ und des Bundesgerichtshofs sollen in die deutsche Sprache übersetzt und veröffentlicht werden, um die Vollstreckung zu ermöglichen und die Rechtsfortbildung zu unterstützen.

Fazit

Die Einführung von „Commercial Chambers“ und „Commercial Courts“ an deutschen Landgerichten und Oberlandesgerichten soll dem seit Jahren zu beobachtenden Rückgang erstinstanzlicher Verfahren bei deutschen Zivilgerichten entgegenwirken. Im Hinblick auf internationale Wirtschaftsstreitigkeiten könnte dies durch die geplante Internationalisierung der Gerichte gelingen. Der Rückgang nationaler gerichtlicher Wirtschaftsstreitigkeiten wird durch den Referentenentwurf jedoch nicht aufgehalten werden.

 

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