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Bundesgerichtshof verschärft Geschäftsführerhaftung
Mit Urteil vom 4. Juli 2017 hat der Bundesgerichtshof die Haftung von Geschäftsführern, die Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht leisten, weiter verschärft. Galt bislang noch die Daumenregel, dass jedenfalls Zahlungen an Telekomunikations- und Energiedienstleister sowie Löhne der Mitarbeiter gezahlt werden durften, hat der Bundesgerichtshof dem nun eine Absage erteilt. Auch Zahlungen für Warenlieferungen nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht bergen nun ein erhöhtes persönliches Haftungsrisiko für den Geschäftsführer. Folge der verschärften Rechtsprechung dürfte eine Zunahme von Haftungsprozessen sein, welche Insolvenzverwalter gegen die früheren Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft führen. Insbesondere wenn im Hintergrund eine D&O-Versicherung zugunsten des Geschäftsführers besteht ist ein deutlicher Anreiz für den Insolvenzverwalter erkennbar, mögliche Ansprüche durchzusetzen.
Kein Bargeschäftseinwand
Konnte nach bisheriger Rechtslage noch argumentiert werden, dass bei so genannten Bargeschäften, also Geschäften, bei denen zwischen Leistung und Gegenleistung nicht mehr als 30 Tage liegen, eine Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG ausscheidet, hat der Bundesgerichtshof dem nun einen Riegel vorgeschoben. Er betont, dass die Grundsätze des Bargeschäfts nicht auf die Geschäftsführerhaftung anwendbar sind. Auch bei Zahlungen, für die also dem Unternehmen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang ein Gegenwert zugeflossen ist, haftet nunmehr grundsätzlich der Geschäftsführer.
Zahlungen auf Löhne und Dienstleistungen sind verbotene Zahlungen
Darüber hinaus entschied der BGH, dass es bei Zahlungen für Dienstleistungen und bei Lohnzahlungen grundsätzlich an einer gleichwertigen Gegenleistung zu Gunsten der Gesellschaft fehle, der Geschäftsführer also für derartige Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife voll haftet. Der BGH verengt die Frage nach einer wirtschaftlichen Gegenleistung für gezahlte Löhne hierbei auf die Perspektive der Gläubiger, aus deren Sicht erbrachte Arbeitsleistungen keinen unmittelbaren Vorteil bringen. Dabei lässt das Gericht jedoch außer Acht, dass etwaige Forderungen der Gesellschaft gegenüber Dritten, die den Gläubigern grundsätzlich ja zugutekommen, erst durch die erbrachten Arbeitsleistungen generiert werden konnten.
Zahlungen auf Warenlieferungen problematisch
Bei Zahlungen auf Warenlieferungen geht der Bundesgerichtshof nunmehr davon aus, dass grundsätzlich die in das Vermögen der Gesellschaft gelangende Gegenleistung (die Waren) zu Liquidationswerten zu bewerten seien. Es sind also regelmäßig deutliche Abschläge auf den Warenwert vorzunehmen. Dies wird in der Regel dazu führen, dass es an einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit zwischen Zahlung und Gegenleistung fehlt und der Geschäftsführer mithin für diese „Lücke“ in Haftung zu nehmen ist. Lediglich wenn im Rahmen der Insolvenz von einer Fortführung des Unternehmens auszugehen ist, lässt der BGH die Möglichkeit zu, Fortführungswerte anzunehmen. Ein solcher Nachweis der Fortführbarkeit dürfte dem Geschäftsführer im Nachhinein jedoch in aller Regel schwerlich gelingen, da die hierzu erforderlichen Unterlagen häufig bei der Staatsanwaltschaft oder dem Insolvenzverwalter lagern werden und er hierauf keinen Zugriff mehr hat.
Schließlich stellt der Bundesgerichtshof noch fest, dass Zahlungen für Telekomunikations- und Energieleistungen nur dann nicht zu einer Haftung führen, wenn es dem Geschäftsführer gelingt dazulegen, dass hierdurch ein sofortiger Zusammenbruch der Gesellschaft vermieden wurde und dieser Zusammenbruch für die Gläubiger wirtschaftlich nachteiliger im Vergleich zur Fortführung gewesen wäre. Dieser Nachweis dürfte in der Praxis kaum einem Geschäftsführer gelingen.
Fazit:
Die Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife wurde nochmals deutlich im Umfang verschärft. So haftet der Geschäftsführer nunmehr sowohl für Lohnzahlungen als auch für ausgeglichene Dienstleistungen. Bei der Zahlung auf Waren ist danach zu unterscheiden, ob der Geschäftsführer von einer sicheren Fortführung des Unternehmens ausgehen konnte oder nicht. War dies – wie regelmäßig – nicht der Fall, sind Liquidationswerte anzusetzen und der Geschäftsführer haftet für die Lücke zwischen Fortführungswert und Liquidationswert.
Maßgebliche Entscheidung:
BGH, Urteil v. 4. Juli 2017, Az. II ZR 319/15