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BMJ plant Erleichterungen für Verbandsklagen zugunsten von Verbrauchern und kleinen Unternehmen

Fachbeiträge
BMJ plant Erleichterungen für Verbandsklagen zugunsten von Verbrauchern und kleinen Unternehmen

Um die Durchsetzung der Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen Unternehmen zu erleichtern, sollen Sammelklagen durch qualifizierte Verbraucherverbände zukünftig schneller und einfacher möglich sein. Auch kleine Unternehmen sollen sich den Abhilfe- und Musterfeststellungsklagen anschließen können. Dazu zählen Unternehmen bis 50 Mitarbeiter und einem Jahresumsatz von bis zu 10 Mio. Euro.

Kollektive Leistungsklagen durch Verbände werden möglich

Kern des am 16. Februar 2023 durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegten Referentenentwurfs ist das neue Gesetz zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (VDuG). Damit soll die EU-Verbandsklagerichtlinie umgesetzt werden. Das VDuG soll zukünftig insbesondere Abhilfeklagen vorsehen und kollektive Leistungsklagen ermöglichen. Klageberechtigte Verbände können dann gegen Unternehmen kollektiv auf Schadensersatz klagen. Das gilt beispielsweise im Bereich der Produkthaftung und bei unlauteren Geschäftspraktiken.

Für diese Abhilfeklagen soll im Wesentlichen Folgendes gelten:

  • Klageberechtigt sind qualifizierte inländische Verbraucherverbände und qualifizierte Einrichtungen aus anderen Mitgliedsstaaten der EU.
  • Gleichartige Ansprüche einer Vielzahl von Verbrauchern und kleiner Unternehmen können geltend gemacht werden, wenn sie sich zuvor in einem Verbandsklageregister angemeldet haben. Erforderlich sind dafür mindestens 50 Verbraucherinnen und Verbraucher. Die klageberechtigten Verbände können die Unternehmen auf konkrete Leistungen wie etwa die Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags in Anspruch nehmen.
  • Die Abhilfeklage kann sich auf alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten beziehen, die Ansprüche und Rechtsverhältnisse einer Vielzahl von Verbrauchern betreffen.
  • Sachlich zuständig für die Abhilfeklagen sollen in erster Instanz die Oberlandesgerichte sein. Örtlich zuständig ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das in Anspruch genommene Unternehmen seinen Sitz hat.
  • Das zuständige Gericht soll die Vorlage von Beweismitteln in Form von Unterlagen, Akten oder Gegenständen eigenständig anordnen und bei Missachtung Ordnungsgelder von bis zu 250.000 Euro verhängen können (vgl. § 6 RegE VDuG).
  • Die klageberechtigten Verbände sollen verpflichtet werden, auf ihrer Internetseite Informationen zu geplanten und laufenden Sammelklagen zu veröffentlichen (vgl. § 12 Abs. 1 RegE VDuG).
  • Im Verfahren kann das Gericht ein sogenanntes. Abhilfegrundurteil erlassen. Darin können die Beträge festgesetzt werden, die den betroffenen Verbrauchern zustehen sollen. Auf Aufforderung des Gerichts können die Prozessparteien anschließend einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Gelingt die Einigung auf einen Vergleich nicht, ergeht ein Abhilfeurteil.
  • Das Gericht kann im Abhilfeurteil einen Sachwalter bestellen, zu dessen Händen eine gerichtlich angeordnete Zahlung zu leisten ist. Er übernimmt die Verwaltung und Auszahlung des Gesamtbetrags an die im Verbandsklageregister erfassten Verbraucher.   

Mit der Abhilfeklage entfällt die bislang nach einer Musterfeststellungsklage erforderliche individuelle Leistungsklage gegen das Unternehmen für alle, die sich der Abhilfeklage anschließen. Zudem besteht kein Prozess- und Kostenrisiko für die teilnehmenden Verbraucher. Dadurch sinkt die Schwelle, diese Schäden in einem gerichtlichen Verfahren geltend zu machen.

Musterfeststellungs- und Unterlassungsklagen bleiben möglich

Auch die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage durch klageberechtigte Verbände bleibt bestehen und wird zukünftig im VDuG geregelt. Die Musterfeststellungsklage stellt gerichtlich das Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen eines Verbraucheranspruchs oder Verbraucherrechts fest. Dazu zählt etwa das Vorliegen eines Gesetzesverstoßes durch ein Unternehmen.

Zudem können klageberechtigte Verbände gegen Unternehmen auch weiterhin Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) oder dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geltend machen, etwa bei gesetzwidrigen unlauteren Praktiken unter Verstoß gegen Verbraucherschutzgesetze.

Verjährungshemmung und Gewinnabschöpfung

Mit der Erhebung einer Verbandsklage wird die Verjährung der Ansprüche für die im Klageregister erfassten Verbraucherinnen und Verbraucher gehemmt. Darüber hinaus soll zukünftig die Gewinnabschöpfung bei unzulässigen geschäftlichen Handlungen im Rahmen von § 10 UWG nicht mehr nur bei vorsätzlichem Verhalten, sondern auch schon bei grober Fahrlässigkeit möglich sei.

Fazit

Wird der Referentenentwurf wie geplant umgesetzt, könnten die Risiken durch Sammelklagen für Unternehmen zukünftig erheblich steigen. Dies begünstigt insbesondere die Möglichkeit, mit der Abhilfeklage unmittelbar auf Leistung zu klagen. So können auch solche Schäden kollektiv geltend gemachten werden, bei denen Verbraucher bislang aufgrund der geringen Höhe des Schadens oder aufgrund des Prozess- und Kostenrisikos von einer streitigen Auseinandersetzung verzichtet haben. Zukünftig müsste der Verbraucher seine Ansprüche nur noch im Verbandklageregister anmelden und kann dann den Ausgang der Verbandsklage ohne eigenes Kostenrisiko abwarten. Die geplanten Änderungen zur Vorlage von Beweismitteln oder die Erleichterung der Gewinnabschöpfung bei unzulässigen geschäftlichen Handlungen werden ebenso zu einer Zunahme von Verbandsklagen zur Durchsetzung von Verbraucheransprüchen und -rechten führen.

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