Kontakt

Ob Sie lieber eine E-Mail senden, zum Telefon greifen oder das gute alte Fax nutzen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

Anruf unter
+49 711 86040 00
Fax unter
+49 711 86040 01

Bieter aufgepasst: Wirksame Vorabinformation über Vergabeplattform möglich

Öffentliche Hand
Bieter aufgepasst: Wirksame Vorabinformation über Vergabeplattform möglich

In einem Vergabeverfahren unterlegene Bieter können nur über einen Nachprüfungsantrag verhindern, dass ein Konkurrent beauftragt wird. Die zehntägige Frist für einen solchen Antrag setzt der Auftraggeber (AG) durch elektronische Absendung der Vorabinformation an nicht berücksichtigte Bieter in Gang. Laut einer Entscheidung der Vergabekammer Saarland (VK) vom 22. März 2021 ist eine wirksame Vorabinformation auch über eine Vergabeplattform möglich (Az: 1 VK 6/20). Dies verlangt Bietern künftig erhöhte Aufmerksamkeit ab.

Sachverhalt

Der AG schrieb Leistungen europaweit aus und wickelte das Vergabeverfahren über eine elektronische Vergabeplattform ab. Alle Bieter inkl. der späteren Antragstellerin (AS) erhielten die Vorabinformation über den Kommunikationsbereich der Vergabeplattform im persönlichen Nutzerkonto am 22. Oktober 2020. Eine automatisch generierte Mail informierte die AS über den Nachrichteneingang, nicht jedoch deren Inhalt. Laut eines Systemprotokolls öffnete die AS die Nachricht am selben Tag. Die parallel per Briefpost übermittelte Vorabinformation erhielt die AS vier Tage später. Der AG erteilte den Zuschlag am 03. November 2020. Mit Nachprüfungsantrag vom selben Tag, jedoch nach Zuschlagserteilung, rügte die AS, dass die 15-tägige Wartefrist gem. § 134 Abs. 2 S. 1 GWB nicht eingehalten sei.

Entscheidung: „Versenden“ der Vorabinformation durch Einstellen in Vergabeplattform

Die VK wies den Nachprüfungsantrag ab. Das Vergabeverfahren habe sich durch wirksamen Zuschlag gem. § 168 Abs. 2 S. 1 GWB erledigt. Die Bieterinformation sei auf elektronischem Wege versandt worden, wodurch sich die Wartefrist gem. § 134 Abs. 2 S. 2 GWB auf zehn Kalendertage verkürzt habe.

Die Bieterinformation werde gem. § 134 Abs. 2 S. 2, 3 GWB elektronisch „versendet“, wenn diese

  1. den Machtbereich des Absenders derart verlassen habe, dass sie von ihm nicht mehr einseitig gelöscht, verändert oder zurückgerufen werden könne,
  2. in Textform, also speicherbar und für eine angemessene Dauer verfügbar sei und
  3. in einem nur dem Empfänger zurechenbaren sicheren Bereich – ähnlich einem Postfach –, über den die ganze Verfahrenskommunikation laufe, eingestellt werde.

Das Erfordernis der Textform sei technologieoffen. Es komme nur darauf an, dass die Erklärung unverändert zugänglich sei und dauerhaft abgerufen und gelesen werden könne. Die Einstellung in das persönliche Nutzerkonto der AS bei der Vergabeplattform als lesbare, mit Zeitstempel versehene sowie druckfähige und elektronisch speicherbare Nachricht habe diese Voraussetzungen erfüllt. Mit der softwareseitig revisionssicheren Einstellung in das persönliche Nutzerkonto der AS bei der Vergabeplattform habe die Bieterinformation auch den Machtbereich des AG verlassen. Die Nachricht wurde also „versendet“. Auf den Zeitpunkt (zufälliger) Kenntnisnahme oder Speicherung durch die AS sei es nicht angekommen.

Offen gelassen hat die VK die Frage, ob es zwingend einer (automatischen) Eingangsbenachrichtigung der Bieter etwa über E-Mail, SMS oder Push-Nachricht bedarf, da eine solche vorlag und zur Öffnung der Nachricht in der Vergabeplattform durch die AS geführt hatte. Die VK nahm in diesem Zusammenhang jedoch Bezug auf eine frühere Entscheidung der VK Südbayern (Beschl. v. 29.03.2019 – Z3-3-3194-1-07-03/19). Hier erhielt die betroffene Bieterin eine Eingangsbenachrichtigung nachweislich erst eine Woche nach Einstellung in die Vergabeplattform, weshalb effektiver Rechtsschutz der Bieterin verkürzt worden sei.

Fazit

 

Nehmen Bieter von einer Vorabinformation erst nach Ablauf der Wartefrist Kenntnis bzw. stellen einen Nachprüfungsantrag erst danach, können sie die Bezuschlagung eines Konkurrenten nicht mehr verhindern. Künftig müssen Bieter beachten, dass die Vorabinformation grundsätzlich über eine Vergabeplattform erfolgen kann, wenn Bieter über persönliche Online-Konten innerhalb der Vergabeplattform verfügen und der AG die Vorabinformation revisionssicher einstellt. Bis nicht geklärt ist, ob eine gleichzeitige Eingangsbenachrichtigung etwa über E-Mail, SMS oder Push-Nachricht zwingend erforderlich ist, sollten Bieter nach Angebotsabgabe mindestens alle zehn Tage ihren Posteingang in der Vergabeplattform prüfen. Ansonsten laufen sie Gefahr, dass ihnen effektiver Rechtsschutz verwehrt bleibt.

 

Maßgebliche Entscheidung: VK Saarland, Beschl. v. 22.03.2021 – 1 VK 6/20; VK Südbayern, Beschl. v. 29.03.2019 – Z3-3-3194-1-07-03/19

 

Zurück