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Bauvergaben – Kombinierte Verfahren auch politisch auf dem Vormarsch!
Es gibt sie eigentlich schon lange: die funktionale Leistungsbeschreibung. Sie ermöglicht dem Auftraggeber, dem Auftragnehmer neben den Bau- auch die zugehörigen Planungsleistungen zu übertragen, indem er ein Bauvorhaben nicht in seinen einzelnen Leistungsbestandteilen und gewerkeweise ausschreibt, sondern sich darauf beschränkt, die wesentlichen Funktionen und Mindestanforderungen an das Bauwerk vorzugeben. Im Übrigen überlässt er es den Bietern, die planerisch und wirtschaftlich in allen Aspekten beste Lösung – meist zum Festpreis – anzubieten.
Die Vorteile für den Auftraggeber liegen auf der Hand: hohe Kosten- und Terminsicherheit bereits zur Vergabeentscheidung bei gleichzeitig vereinfachter Abwicklung, da die Koordination mehrerer Vertragspartner entfällt. Durch den integrierten Planungswettbewerb können solche Verfahren – ähnlich wie ein Architektenwettbewerb – hohe Anreize für innovative und gestalterisch anspruchsvolle Lösungen setzen. Hier lässt sich der Preiswettbewerb mit einem effektiven Wettbewerb um die besten Nachhaltigkeitstechnologien kombinieren.
Trotz aller Vorteile haben öffentliche Auftraggeber die funktionale Leistungsbeschreibung in der Vergangenheit allerdings eher wenig genutzt. Neuen Schub erfährt dieses Instrument nun jedoch durch eine Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2022. Sie verfolgt das Ziel, Vergabeverfahren im Bereich der Verkehrsinfrastruktur durch regulär funktionale Ausschreibungen „im Paket“ nachhaltig und systematisch zu beschleunigen.
In die gleiche Richtung zielt eine aktuelle Handreichung des Bayrischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr. Das Ministerium empfiehlt ausdrücklich die verstärkte Nutzung funktionaler Ausschreibungen als wichtiges Instrument für Kosten- und Terminsicherheit in Vergabeverfahren. Dabei verweist das Ministerium darauf, dass diese Verfahrenskonzeption längst nicht nur bei Großprojekten in Frage kommt, sondern auch grundsätzlich bei anderen Vorhaben, wie etwa Unterkunfts- und Verwaltungsgebäude, Schulen, Wohnungen oder Krankenhäuser.
Insbesondere die der deutschen VOB/A zugrundeliegende, europäische Vergaberichtlinie sieht seit der letzten Vergaberechtsreform eine verstärkte Nutzung funktionaler Leistungsbeschreibungen vor. Der EU-Gesetzgeber betont, dass die Formulierung technischer Spezifikationen in Form von Funktions- und Leistungsanforderungen in der Regel bestmöglich dem Ziel eines uneingeschränkten Wettbewerbs dient und zudem auch ein geeignetes Mittel sind, um im Auftragswesen Innovationen zu fördern.