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Ausschreibungspflichten bei der Erstvergabe von Wegenutzungsrechten für die Schaffung von Wärmenetzen?

Öffentliche Hand
Ausschreibungspflichten bei der Erstvergabe von Wegenutzungsrechten für die Schaffung von Wärmenetzen?

Für das Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor nach §§ 3 und 4 i.V.m. Anlage 2 KSG ist der Ausbau von klimaneutralen Wärmenetzen unerlässlich. Während sich aus dem Wärmeplanungsgesetz und dem KlimaG BW verschiedene Vorgaben für die Planung und den Betrieb von Wärmenetzen ergeben, ist die Schaffung von Wärmenetzen nicht spezialgesetzlich geregelt. Dies betrifft die für die Schaffung von Wärmenetzen nötige Einräumung von Wegerechten an Wärmenetzbetreiber und die hiermit einhergehende Frage einer Ausschreibungspflicht. Neue Rückschlüsse hierzu erlaubt das BGH-Urteil zum Stuttgarter Wärmenetz vom 5.12.2023 – KZR 101/20.

Kartellrechtliche Ausschreibungspflichten als Ausgangspunkt

Ein Wärmenetz kann nur verlegt und betrieben werden, wenn dem Netzbetreiber hierzu Wegenutzungsrechte zur Nutzung des kommunalen Grundeigentums, insbesondere des Straßengrunds, eingeräumt werden. Im Hinblick auf die Vergabe dieser Wegenutzungsrechte verfügt die Gemeinde über eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 18 GWB, womit sie Adressat des Missbrauchsverbots des § 19 Abs. 1, 2 GWB ist. Im Grundsatz hat deshalb jeder potenzielle Betreiber eines kommunalen Wärmenetzes einen Anspruch gegen die Gemeinde auf Einräumung der hierfür nötigen Wegenutzungsrechte. Erst wenn die Rechtseinräumung wegen Kapazitätserschöpfung nicht mehr möglich ist, wandelt sich dieser Zugangsanspruch in einen Anspruch auf Teilhabe. Diesem ist durch die Durchführung einer Ausschreibung zu genügen. Die bislang überwiegende Ansicht in der Literatur ging davon aus, dass bei der Vergabe von Wegerechten zur Schaffung von Wärmenetzen keine Kapazitätserschöpfung droht und deshalb keine kartellrechtliche Ausschreibungspflicht besteht.

BGH-Urteil zum Stuttgarter Wärmenetz vom 5.12.2023 – KZR 101/20

Das BGH-Urteil zum Stuttgarter Wärmenetz deutet darauf hin, dass der BGH es einer Kapazitätserschöpfung gleichstellt, wenn der Betrieb eines weiteren Wärmenetzes neben einem bestehenden Wärmenetz unrentabel wäre und deshalb ein „faktisches Monopol“ besteht. Zwar war die Frage der Ausschreibungspflicht nicht unmittelbar Gegenstand des Rechtsstreits. Jedoch hat der BGH den grundsätzlich aus § 19 Abs. 1, 2 GWB folgenden Zugangsanspruch mit der Argumentation verneint, dass eine parallele Wärmenetzverlegung wirtschaftlich nicht möglich sei. Spiegelbildlich müsste sich dann aus § 19 Abs. 1, 2 GWB eine Ausschreibungspflicht ergeben. 

Argumentation nicht auf erstmalige Schaffung eines Wärmenetzes übertragbar

Der BGH hat mit seinen Ausführungen für die Praxis geklärt, dass eine wirtschaftliche Sinnlosigkeit der Parallelverlegung von Wärmenetzen einer tatsächlichen Knappheit der Wegenutzungsrechte gleichsteht. Die Ausführungen des BGH sind ausdrücklich auf bestehende Infrastrukturen beschränkt. Bei im Zuge des Ausbaus von klimaneutralen Wärmenetzen erst neu zu schaffenden Wärmenetzen gibt es noch keinen „natürlichen Monopolisten“. Vielmehr hat jeder Marktakteur die gleiche Chance, ein Wärmenetz aufzubauen und hierfür die Initiative zu ergreifen. Die jeweilige Gemeinde müsste den interessierten Marktakteuren diskriminierungsfrei gegen ein angemessenes Entgelt die benötigten Wegenutzungsrechte einräumen. Aus diesem Grund liegt in der Situation der Erstvergabe von Wegenutzungsrechten für Wärmenetze für keinen Marktakteur eine wirtschaftliche Sinnlosigkeit vor und es bedarf aus diesem Grund keiner zwingenden Ausschreibung der Wegenutzungsrechte, um den Marktzugang anderer Wettbewerber zu sichern.

Praxistipp

Für die Einräumung von Wegenutzungsrechten für bestehende Wärmenetze lässt sich dem BGH-Urteil zum Stuttgarter Wärmenetz vom 5.12.2023 – KZR 101/20 die Tendenz entnehmen, dass vor der Wegerechtseinräumung eine Ausschreibung durchzuführen ist. Auf die erstmalige Schaffung von Wärmenetzen lässt sich die vom BGH vorgenommene Argumentation u.E. nicht übertragen. In diesen Fällen haben alle interessierten Wärmenetzbetreiber dieselben Zugangschancen, sodass eine kartellrechtliche Ausschreibungspflicht weiterhin mit guten Argumenten verneint werden kann, sofern sich eine Monopolsituation nicht z.B. aus der parallelen Festsetzung eines Anschluss- und Benutzungszwangs durch die Gemeinde ergibt.

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