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Neue „Hamburger Leitlinien“ erleichtern Anwendung ausländischen Rechts in deutschen Gerichtsverfahren

Neue „Hamburger Leitlinien“ erleichtern Anwendung ausländischen Rechts in deutschen Gerichtsverfahren

In einer global vernetzten Welt nehmen internationale Rechtsstreitigkeiten zu. Hat ein deutsches Gericht über eine internationale Streitigkeit zu entscheiden, muss es im ersten Schritt das anzuwendende Recht klären. Das kann auch eine ausländische Rechtsordnung sein. Für die Richterinnen und Richter stellt sich dabei das Problem, dass sie das ausländische Recht oft gar nicht kennen (können). Um diese schwierige Aufgabe zu erleichtern, hat das Max-Plank-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht die „Hamburger Leitlinien für die Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts in deutschen Verfahren“ entwickelt, die seit dem 9. Oktober 2023 kostenlos auf www.hhleitlinien.de zur Verfügung stehen. Sie sollen den Akteuren vor Gericht helfen, das ausländische Recht vor deutschen Gerichten effizienter anzuwenden und gliedern sich in Leitlinien für Gerichte, Sachverständige und Parteien.

Leitlinien für Gerichte: Welches Recht ist anwendbar?

Das auf eine Streitigkeit anwendbare Recht ergibt sich aus dem Internationalen Privatrecht. Die Anwendung dieser oft komplexen Regeln des Internationalen Privatrechts obliegt allein den Gerichten. Da es sich dabei um deutsches Recht handelt, kann die Aufgabe auch nicht anderen, beispielsweise Sachverständigen, überlassen werden. In der Praxis sind jedoch längst nicht alle Richterinnen und Richter ausreichend mit den Grundregeln des Internationalen Privatrechts vertraut. Häufig wird ohne die erforderliche Vorprüfung unzutreffend deutsches Recht angewendet. Einleitend setzen sich die Hamburger Leitlinien deshalb ausgiebig mit der Ermittlung des anwendbaren Rechts auseinander. Anhand von Fallbeispielen führen die Leitlinien durch Konstellationen, in denen jedes Gericht sich zumindest die Frage nach der anwendbaren Rechtsordnung stellen sollte.

Ausländisches Recht – was nun?

Wenn deutsche Richterinnen und Richter ein zunächst unbekanntes ausländisches Recht anwenden müssen, zeigen die Leitlinien, wie sie vorgehen können. Die Ermittlung des ausländischen Rechts liegt dabei in ihrer Verantwortung und die Leitlinien ermutigen und unterstützen sie, sich selbst mit dem ausländischen Recht vertraut zu machen. Erst wenn die Richterinnen und Richter das ausländische Recht selbst nicht hinreichend sicher bestimmen können, müssen sie weitere Erkenntnisquellen wie Auskünfte von Behörden oder Sachverständigengutachten heranziehen. Die Hamburger Leitlinien geben Tipps für die Auswahl geeigneter Sachverständiger, für die Formulierung geeigneter Beweisfragen sowie für den Umgang mit nicht immer zufriedenstellenden Gutachten.

Leitlinien für Sachverständige

Ein ausführlicher Komplex der Leitlinien führt Sachverständige durch die Besonderheiten der Gutachtenerstellung in Bezug auf die Anwendung ausländischer Rechtsordnungen.

Leitlinien für Parteien: Welche Einflussmöglichkeiten haben sie?

Zuletzt richten sich die Hamburger Leitlinien in aller Kürze an die Parteien in einem Rechtsstreit: Sie können zur Ermittlung und Anwendung des ausländischen Rechts beitragen, indem sie Erläuterungen, Quellen, Übersetzungen oder Parteigutachten vorlegen. Außerdem fordern die Leitlinien die Parteien auf, „die Wahl deutschen Rechts im Verfahren in Betracht zu ziehen, soweit das einschlägige IPR dies zulässt“. Eine solche nachträgliche Rechtswahl dürfte in der verhärteten Situation eines Prozesses praktisch allerdings wenig Umsetzungschancen haben. Besser ist es, wenn sich die Parteien eines drohenden Rechtsstreits möglichst frühzeitig – also regelmäßig schon bei Vertragsschluss – auf eine in sich stimmige Rechtswahl- und Gerichtsstandklausel verständigen.

Fazit

Wenn Gerichte ausländisches Recht anwenden müssen, ist und bleibt dies eine für alle Verfahrensbeteiligten oft missliche Konstellation. Die Einholung von Rechtsgutachten, die zusätzliche Beratung durch ausländische Anwälte, die Ladung ausländischer Zeugen, die Komplexität der Risikoeinschätzung und vieles mehr machen solche grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten für die Parteien teuer, langwierig und unabwägbar. Dem können Parteien durch eine sorgfältige Vertragsgestaltung entgegenwirken. Rechtswahl- und Gerichtsstandklauseln sollten ein Auseinanderfallen des auf den Fall anwendbaren Sachrechts und des vom Gericht anzuwendenden Prozessrechts vermeiden. Dazu eignen sich auch Schiedsklauseln, die den Parteien weitere Freiheiten in der prozessualen Gestaltung möglicher Streitigkeiten eröffnen.

Ist die Notwendigkeit der Anwendung ausländischen Gerichts vor deutschen Gerichten aber einmal gegeben, so stellen die Hamburger Leitlinien für Gerichte, Sachverständige und Parteivertreter eine sicherlich hilfreiche Handreiche dar, um den besonderen Herausforderungen solcher Konstellationen zu begegnen.

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