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Ausdehnung der Rechtsprechung zur Bemessung von (VOB-)Nachtragspreisen nach tatsächlich erforderlichen Kosten auf § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B
Der BGH hat 2019 (Urt. v. 08.08.2019, Az. VII ZR 34/18) eine Zäsur bei der Ermittlung von Nachtragspreisen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B eingeleitet. Während zuvor die Nachtragspreise anhand der sog. vorkalkulatorischen Preisfortschreibung (Entwicklung des neuen Preises aus kalkulatorischen Preiselementen vorhandener „Basispositionen“ der Urkalkulation) zu bestimmen waren, will der BGH nun bei der Nachtragspreisermittlung bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge für die Bildung von Nachtragspreisen heranziehen.
Der Modus der Nachtragspreisermittlung ist laut BGH in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelt. Die Bestimmung gebe nur vor, dass bei der von den Parteien zu treffenden Vereinbarung über den neuen Preis Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen seien. Die VOB/B lege die Verantwortung für die Bestimmung des neuen Preises damit in die Hände der Vertragsparteien, die einen neuen Preis aushandeln sollen. Wenn keine Einigung zustande komme, sei nach Treu und Glauben auf die tatsächlich erforderlichen Kosten für die Leistung zuzüglich angemessener Zuschläge abzustellen.
- 2 Abs. 3 VOB/B kommt bei der Ermittlung neuere Einheitspreise eher selten zur Anwendung. Viel häufiger sind die Vorschriften des § 2 Abs. 5 und Abs. 6 Nr. 2 VOB/B heranzuziehen. Doch kann es sein, dass Nachtragspreise gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu ermitteln sind, während für § 2 Abs. 5 und § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B die Nachtragspreise noch aus der Urkalkulation zu entwickeln sind? Oder ist die neue Rechtsprechung des BGH auch auf § 2 Abs. 5 und § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B auszudehnen?
Das OLG Brandenburg hat dies nun in einem aktuellen Urteil verneint und die Rechtsprechung des BGH auf die Bemessung von Nachtragspreisen gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B erstreckt. Auch hier sollen Nachtragspreise anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten zu ermitteln sein. Stringent an dieser Entscheidung des OLG Brandenburg ist, dass versucht wird, wieder ein einheitliches System für die Nachtragspreisermittlung in der VOB/B herzustellen. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH diese Linie des OLG Brandenburg bestätigen wird. Dies erscheint nicht unwahrscheinlich.
Beide Gerichte haben jedoch betont, dass diese Grundsätze nur dann eingreifen, wenn sich die Parteien nicht auf einen neuen Einheitspreis einigen oder (gegebenenfalls bereits im Vertrag) eine abweichende Methode der Entwicklung von Nachtragspreisen vereinbaren. Hiernach kann also vertraglich nach wie vor vereinbart werden, dass Nachtragspreise anhand der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung (oder anderweit) zu ermitteln sind.
Maßgebliche Entscheidung: OLG Brandenburg, Urt. v. 22.04.2020, Az. 11 U 153/18