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Aufatmen für kommunale Krankenhäuser
Bereits in der mündlichen Verhandlung am 24. März 2016 hat der Bundesgerichtshof (BGH) durchblicken lassen, dass er den Defizitausgleich für Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft durch ihre Träger nicht grundsätzlich in Frage stellt. In der Urteilsbegründung analysiert er eingehend die Voraussetzungen und Anforderungen an eine Betrauung und damit für Befreiung von der Anmelde- und Genehmigungspflicht durch die Europäische Kommission.
Nach Auffassung des BGH ist es für die Befreiung von Ausgleichsleistungen von der Notifizierungspflicht bei der Europäischen Kommission nicht ausreichend, dass bestimmte Leistungen gesetzlich als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) definiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass dem betrauten Unternehmen eine besondere Aufgabe übertragen worden ist, die ohne die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs nicht erfüllt würde.
Das trifft auf Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zu: Im Krankenhausbereich sind die Land- und Stadtkreise nach dem „Sicherstellungsauftrag“ in § 3 Abs. 1 LKHG zum Betrieb der in den Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhäuser verpflichtet. Dies rechtfertigt auch die Aufrechterhaltung des Betriebs eines unwirtschaftlichen Krankenhauses. Eine solche Verpflichtung trifft die Träger privater oder freigemeinnütziger Krankenhäuser nicht. Deshalb kann nach Auffassung des BGH die medizinische Versorgung durch ein öffentliches Krankenhaus als DAWI eingeordnet werden, für die ein Defizitausgleich zulässig ist.
Weitere Voraussetzung für die beihilfenrechtliche Zulässigkeit ist das Vorliegen eines förmlichen Betrauungsakts. Der BGH stellt klar, dass es sich bei den Vorgaben des „Freistellungsbeschlusses“ nicht um rein formale Regelungen handelt, deren Nichteinhaltung ohne Rechtsfolgen bleibt. Vielmehr müssen alle darin formulierten Anforderungen an eine Betrauung erfüllt sein. Im Streitfall basierte die Betrauungsakte auf dem „Muster-Betrauungsakt“ des Landkreistags Baden-Württemberg. Dieser ist damit höchstrichterlich bestätigt worden.
Für die Praxis sind folgende Aussagen des BGH wichtig:
Eine weite Definition der DAWI reicht aus, solange ihr Umfang feststeht und auf dieser Grundlage eine korrekte Verteilung der Kosten zwischen den DAWI und sonstigen Tätigkeiten des betrauten Unternehmens möglich ist.
Die Parameter für die Ausgleichsleistungen müssen so objektiv und transparent gefasst sein, dass dem begünstigten Unternehmen daraus kein unberechtigter Vorteil erwächst und keine Missbrauchsmöglichkeit besteht. Ausreichend ist, dass der Betrauungsakt die Grundlagen für die zukünftige Berechnung der bei der Erbringung der DAWI anfallenden Kosten und damit der Ausgleichsleistung enthält.
Unentbehrlich sind Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung einer Überkompensation. Hierzu gehört die Verpflichtung zur getrennten Buchführung von DAWI und sonstigen Tätigkeiten.
Für den Betrauungsakt des Landkreises Calw ab dem Jahr 2014 sah der BGH diese Voraussetzungen als erfüllt an. Da der BGH die Betrauung für die Jahre 2012 und 2013 jedoch bemängelte, hat er den Rechtsstreit insoweit an das OLG Stuttgart zurückgewiesen. Das Gericht weist darauf hin, dass das OLG zunächst zu prüfen habe, ob der Defizitausgleich überhaupt geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Würde dieses Tatbestandsmerkmal verneint, würde es von vornherein an einer Beihilfe fehlen.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Europäische Kommission dieses Tatbestandsmerkmal seit kurzem deutlich enger auslegt als zuvor. Nachdem die Behörde 2015 Ausgleichszahlungen zugunsten der Landgrafenklinik in Bad Nenndorf als nicht beihilfenrelevant beurteilt hat, ist eine solche Einordnung auch im Fall „Calw“ denkbar. Dann käme es auf die Ausgestaltung des Betrauungsakts für die Jahre 2012 und 2013 nicht mehr an. Die Europäische Kommission hat ihre neue Entscheidungspraxis unlängst in fünf weiteren Entscheidungen, in denen die „zwischenstaatlichen“ Auswirkungen staatlicher Maßnahmen jeweils verneint wurden, bekräftigt.
Maßgebliche Entscheidung:BGH, Urt. v. 24.03.2016, Az. I ZR 263/14 - „Kreiskliniken Calw“, vgl. auch: Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 21.09.2016, IP/16/3141