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Angebotsauslegung: Dürfen Angebote jetzt doch korrigiert werden?

Öffentliche Hand
Angebotsauslegung: Dürfen Angebote jetzt doch korrigiert werden?

Lange Zeit galt als gesichert, dass ein Angebot auch dann auszuschließen ist, wenn der Bieter nur aus Versehen seine eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt hat und dadurch von verbindlichen Vorgaben des Vergabeverfahrens abweicht. Vor etwas über einem Jahr brachte der Bundesgerichtshof diesen Grundsatz ins Wanken. Der Auftraggeber kann und muss in solchen Fällen nunmehr zunächst den tatsächlich gewollten Angebotsinhalt aufklären und im Rahmen der Auslegung  versuchen, das Angebot „im Rennen zu halten“. Diese Linie führte das OLG Düsseldorf nun in Bezug auf ein Formular zum Nachunternehmereinsatz sehr großzügig weiter fort.

Sachverhalt

Bei der europaweiten Vergabe von Kanalbauarbeiten im offenen Verfahren mussten die Bieter in einem vorgegebenen Angebotsformular durch Ankreuzen und Ausfüllen von Texteingabefeldern Angaben zu Art und Umfang eines etwaigen Nachunternehmereinsatzes machen. Ohne entsprechende Angaben erklärten die Bieter diesem Formular zufolge automatisch, dass sie alle Leistungen im eigenen Betrieb ausführen werden. Der Bestbieter ließ das Formular unausgefüllt, obwohl er tatsächlich zumindest für die Rohrvortriebsleistungen auf ein Drittunternehmen angewiesen war.

Der Auftraggeber wollte das Angebot dennoch bezuschlagen, nachdem dieser Bieter in einem Aufklärungsgespräch erklärt hatte, einen Nachunternehmer für diese Leistungen einzusetzen.

Die Entscheidung

Zu Recht! Das OLG Düsseldorf entschied, dass das Angebot nicht auszuschließen, sondern stattdessen mit korrigiertem Inhalt zu berücksichtigen war. Der Auftraggeber habe nämlich insbesondere aufgrund seiner speziellen Erfahrungen gewusst, dass der  Bieter zur Eigenausführung gar nicht in der Lage gewesen wäre und für Rohrvortriebsleistungen zudem stets Drittunternehmen einsetzte. Deswegen musste er es für überwiegend wahrscheinlich halten, dass das Angebotsformular in Bezug auf den Nachunternehmereinsatz entweder aus einem Missverständnis heraus oder aus Nachlässigkeit unzutreffend ausgefüllt war. Zumindest sei dies unklar und aufzuklären gewesen. Nachdem die Aufklärung ergab, dass tatsächlich ein Nachunternehmer vorgesehen war, waren die diesbezüglichen Angaben nachzufordern.

Praxistipp

Ob und in welchem Umfang Auslegung, Aufklärung und Nachforderung zulässig sind, ist im Einzelfall oft eine schwierige Gratwanderung. Denn einerseits scheint sich in der Entscheidungspraxis aktuell ein eher großzügiger Umgang mit formularmäßig abzugebenden Erklärungen abzuzeichnen, andererseits setzen die vergaberechtlichen Grundsätze, insbesondere des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung, der Auslegung und Nachforderung weiterhin Grenzen. Auftraggeber sind also gut beraten, Angebotsunterlagen und insbesondere formularmäßige Erklärungen möglichst wenig fehleranfällig zu gestalten. Umgekehrt sollten sich aber auch Bieter nicht auf eine großzügige Nachforderungspraxis verlassen und im Zweifelsfall lieber eine Aufklärungsfrage mehr stellen, um Unklarheiten im Vorfeld zu beseitige

Maßgebliche Entscheidung: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.04.2020, Az.: Verg 30/19

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